Warum wir schöpferische Zerstörung brauchen und Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist

Im letztjährigen World Competitiveness Ranking, in welchem jedes Jahr aufs Neue die Wettbewerbsfähigkeit von Staaten beurteilt wird, thront Dänemark auf dem ersten Platz. Darauf folgen die Schweiz, Singapur und einige andere Länder, bevor dann endlich Deutschland auftaucht. Auf Rang 15. Etwa 30 Jahre zuvor belegte Deutschland noch Rang 5. Seither rutschen wir langsam, aber sicher weiter ab. Dabei ist eine hohe Wettbewerbsfähigkeit zwingend notwendig, um langfristig Wohlstand in einer Gesellschaft sicherzustellen.

Was bedeutet Wettbewerbsfähigkeit?

Die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft setzt sich aus der preislichen und der nicht-preislichen Wettbewerbsfähigkeit zusammen. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit spiegelt die Außenposition eines Landes wider. Sie wird üblicherweise durch den realen effektiven Wechselkurs gemessen. Er ist ein Maß für das Tauschverhältnis heimischer Güter auf dem Weltmarkt, die sogenannten Terms of Trade. Eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit bedeutet, dass die Preise für im Inland hergestellte Produkte und Dienstleistungen im Vergleich zu anderen Ländern – also auf dem Weltmarkt – günstiger werden.

Die nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit bezieht sich dagegen auf den internen Zustand einer Volkswirtschaft. Sie umfasst das regulatorische Umfeld von Unternehmen, wie zum Beispiel den Umfang an Regulierung auf dem Arbeitsmarkt, die angebotsseitigen Rahmenbedingungen einer Volkswirtschaft, also beispielsweise die Qualität der Infrastruktur oder die gesamtgesellschaftliche Innovationsfähigkeit. Gerade diese Faktoren beeinflussen die zukünftige Entwicklung von Volkswirtschaften und sorgen in der langen Frist für Wohlstand und einen hohen Lebensstandard. Nur wenn wir mit innovativen Produkten, einer hohen Produktivität und angemessener Regulierung auf dem Weltmarkt auftreten, können wir eine nachhaltige Außenposition sicherstellen und dadurch langfristig unseren Wohlstand erhalten.

Warum unsere Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr ist

Der schwache Euro, welcher uns durch die Euro-Krise beschert wurde, hat zu wirtschaftlichen Erfolgen Deutschlands geführt, welche in Teilen darauf beruhten, dass die deutschen Produkte auf dem Weltmarkt sehr günstig waren, also eine hohe preisliche Wettbewerbsfähigkeit hatten. Die Tatsache, dass sich der Rest Europas in dieser Zeit weniger stark entwickelt hat, führte zu einem Wechselkursvorteil, durch welchen Deutschland als Exportnation stark profitierte. Diese „Sonderkonjunktur“ während des vergangenen Jahrzehnts erweckte den Eindruck, dass Deutschland wahnsinnig wettbewerbsfähig ist.

Doch der Schein trügt. Die Zeiten der hohen preislichen Wettbewerbsfähigkeit sind vorbei und die Herausforderungen für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit größer denn je. Denn einige strukturelle Probleme, welche sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten angekündigt haben, verschärfen sich gerade. Ökonomen warnen seit Langem vor einem Fachkräftemangel. Nun ist er da. Unsere westlichen Bündnispartner – allen voran die USA – mahnten vor wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Russland. Nun befinden wir uns in einer Energiepreiskrise und beklagen das Fortsetzen der deutschen Industrieschwäche.

Wir haben uns zu lange von den Erfolgen auf den globalen Märkten blenden lassen. Zu lange haben wir uns auf unserer hohen preislichen Wettbewerbsfähigkeit ausgeruht und uns nicht um unsere nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit gekümmert. Doch Letztere brauchen wir, um unseren Wohlstand zu erhalten und langfristig auf den globalen Märkten erfolgreich zu sein.

Was können wir tun?

Um die nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und den strukturellen Problemen unserer Zeit zu begegnen, braucht es Innovationen und daraus abgeleitet eine höhere Produktivität. Hier kommt das Konzept der schöpferischen Zerstörung ins Spiel. Denn Innovationen erzielen wir nicht, indem wir alte Industrien weiter subventionieren. Es braucht einen scharfen inländischen Wettbewerb, um von den alten, nicht wettbewerbsfähigen Zöpfen wegzukommen.

Damit sich der Abwärtstrend umkehrt und Deutschland wieder wettbewerbsfähiger wird, müssen die politischen Entscheidungsträger die Rahmenbedingungen für einen permanente Innovationsprozess schaffen. Dazu zählen unter anderem die Erleichterung der Fachkräftezuwanderung und eine stärker horizontal ausgerichtete Industriepolitik ohne spezifische Förderung einzelner Branchen. Zudem müssen neue Kooperationsmöglichkeiten zugelassen werden, bei denen Konkurrenten in einigen besonders zukunftsträchtigen, aber auch hoch komplexen Entwicklungsbereichen zusammenarbeiten dürfen, ohne dass die Wettbewerbsbehörden dies sogleich unterbinden.

Die Politik muss auch einmal Risiken wagen und sich an das Konzept der schöpferischen Zerstörung erinnern. Denn Neues kann nur dann entstehen, wenn Altes hinterfragt, verdrängt und schließlich zerstört wird. Nur so werden wir weiterhin auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sein.

Kommentare

1 Antwort zu „Warum wir schöpferische Zerstörung brauchen und Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist“

  1. Avatar von Tim T.
    Tim T.

    Als ein Grund für eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit wird „Fachkräftemangel“ genannt. Dies ist ein Propaganda-Begriff der Unternehmenslobby um einseitig unternehmerfreundliche Politik durchzusetzen. Es gibt in Deutschland keinen „Fachkräftemangel“ im eigentlichen Sinn. Zu dieser Thematik wird bald ein Artikel hier auf dem Blog erscheinen.

    Es ist jedoch wenig überraschend, dass der Begriff im Kontext des Themas Wettbewerbsfähigkeit auftaucht. Immerhin wird dieser Begriff auch gerne dazu genutzt, Lobby für mehr Standortwettbewerb zu betreiben. Beim Standortwettbewerb wird die Wettbewerbsfähigkeit erhöht um Unternehmen anzulocken, meist indem Unternehmen Vorteile verschafft werden, wie auch hier im Artikel beschrieben durch eine Schwächung des Kartellrechts. Auf diese Weise können internationale Konzerne Nationalstaaten und deren Steuerzahler gegeneinander ausspielen und sich teilweise Vorteile verschaffen, die keinen gesamtwirtschaftlichen Mehrwert bringen.

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