Handel um jeden Preis? Die Schattenseiten des EU-Mercosur-Abkommens

Nach über 20 Jahren Verhandlung wurde am 6. Dezember 2024 überraschend eine Einigung über das EU-Mercosur-Abkommen erzielt. Ein starkes geopolitisches Signal in einer Zeit wachsender Abschottungspolitik und angesichts von Chinas zunehmender Präsenz in der Mercosur-Region, so die Befürworter. Auch ökonomisch wäre der Deal für beide Wirtschaftsräume von Vorteil. Trotzdem ist das Abkommen stark umstritten. Denn schon jetzt ist klar, dass es schwerwiegende ökologische Konsequenzen mit sich bringen könnte.

Das Handelsabkommen fördert den Export klimaschädlicher Agrarprodukte wie Rindfleisch, Zuckerrohr für Bioethanol und Soja für Tierfutter aus den Mercosur-Staaten. Gleichzeitig wird der Export von Fahrzeugen und Chemikalien aus der EU gefördert. Das Problem hierbei ist, dass der Handelspakt damit ausgerechnet jene Branchen begünstigt, die zu den größten Treibern der Klimakrise gehören. So ist laut der Welternährungsorganisation FAO allein die Nutztierhaltung für 14,5 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich

Der Deal trägt nicht nur zu einer Steigerung der Emissionen bei. Durch den zunehmenden Handel werden der Amazonas-Regenwald und andere Ökosysteme wie Trockenwälder und Savannenwälder verstärkt für weitere Rinderweiden, den Anbau von Zuckerrohr und Sojafelder geopfert. Zwar hat die EU im Jahr 2022 eine Verordnung verabschiedet, die den Verkauf von Produkten aus Waldzerstörung verhindern soll, diese schützt die betroffenen Ökosysteme jedoch nur bedingt, da sie beispielsweise Ökosysteme wie Savannen ausgrenzt und Zuckerrohr nicht in der Verordnung enthalten ist. Gleichzeitig würde durch das Zerstören dieser Ökosysteme die Lebensgrundlage indigener Völker bedroht und Landraub gefördert. Schon heute verlieren Gemeinschaften wie die Guarani-Kaiowá in Brasilien ihre Lebensgrundlage durch den expandierenden ZuckerrohranbauIndigene Gruppen befürchten, dass das Abkommen diese Entwicklung verstärkt und ihre Territorien weiter gefährdet

Auch für die Landwirtschaft ist der Deal problematisch. Er stärkt die großindustrielle Landwirtschaft mit Monokulturen und schwächt kleine Betriebe in beiden Regionen. Europäische Landwirte rechnen damit, dass das günstige Fleisch aus den Mercosur-Staaten im europäischen Markt die Preise drücken wird. Die geringeren Standards in den Mercosur-Ländern können somit den Wettbewerb verzerren. In Südamerika könnte der wachsende Einfluss der großindustriellen Landwirtschaft darüber hinaus zu einer Zunahme von Gewalt, Kriminalität und Verfolgung gegenüber bäuerlichen Gemeinschaften in der Region führen, so die Alianza Biodiversidad.

Kritiker argumentieren außerdem, dass der Gebrauch von Pestiziden zunehmen wird. Unternehmen wie BASF und Bayer exportieren bereits heute schädliche Pestizide, die in der EU verboten sind, nach Südamerika. Durch den Deal werden diese Exporte vermutlich weiter steigen. Am Ende sind nicht nur die Menschen in Lateinamerika von dem steigenden Gebrauch der Pestizide betroffen. Da EU-Länder Früchte wie beispielsweise Limetten und Mangos importieren, landen die Rückstände der nicht zugelassenen Pestizide auch wieder auf unserem Teller.

Der EU-Mercosur-Deal mag ein starkes geopolitisches Signal senden, den Handel zwischen den Regionen fördern und wirtschaftliche Chancen für die beteiligten Länder schaffen. Doch angesichts der Auswirkungen auf Umwelt, Menschenrechte und Klima stellt sich die Frage: Ist der Preis dafür nicht zu hoch? Ein schlecht ausgearbeitetes Abkommen schadet mehr, als dass es Nutzen stiftet. Erforderlich ist ein Handelsabkommen, das auch Umwelt- und Sozialstandards berücksichtigt und der Zerstörung von Ökosystemen entgegenwirkt.

Titelbild: erstellt mit KI (Canva)


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

0 Antworten zu „Handel um jeden Preis? Die Schattenseiten des EU-Mercosur-Abkommens“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert