Wie geht´s weiter, Exportmeister? Führt die Corona-Pandemie zum Umdenken?

Die Globalisierung und die internationale Arbeitsteilung gelten als massiver Antriebsmotor der deutschen Wirtschaft. Unter anderem dem Außenhandel hat Deutschland seinen Wohlstand zu verdanken. Dann kam die Covid-19-Pandemie und mit ihr, massiven Lieferengpässen geschuldet, ein Stimmungswechsel. Die internationalen Lieferketten gerieten in Kritik. Kommt es nun zur Nationalisierung von Lieferketten?

Warum überhaupt handeln?

Der trivialste Grund für Handel ist der Zugang zu Ressourcen, welche im eigenen Land aus natürlichen und/oder technologischen Gründen nicht verfügbar sind. Ein weiterer Grund sind die „gains from trade“. Die bedeutenden klassischen Ökonomen Adam Smith und David Ricardo kamen zu dem Schluss, dass ein Land durch Handel Effizienzgewinne realisieren kann, die in der Autarkie, also bei vollständiger Selbstversorgung, nicht erreichbar wären. Durch Spezialisierung der Produktion entstehen Handelsgewinne für beide Handelspartner. Die Handelsgewinne entstehen Smith zufolge, wenn ein Land ein Gut kostengünstiger herstellen kann als alle anderen. Ricardo wies nach, dass Spezialisierung und Handel selbst dann für alle profitabel sind, selbst wenn die Produktionskosten eines Landes diejenigen aller anderen Länder übersteigen. Die ökonomische Schlussfolgerung: Wirklich jedes Land profitiert vom Handel.

Was ist mit Deutschland?

Mit Blick auf die Importe und Exporte eines Landes wird Deutschland oftmals als Exportmeister bezeichnet. Das lässt sich dadurch begründen, dass Deutschland im großen Umfang Waren exportiert und die Exportmenge die Importmenge übersteigt. Im Jahr 2021 wurden Waren im Wert von über 1,37 Billionen Euro exportiert und 1,2 Billionen Euro importiert. Aufgrund dieses Handelsbilanzüberschusses, also des deutlich höheren Exports als Imports, war Deutschland in den Jahren von 2003 bis 2008 „Exportweltmeister“. Das große Handelsvolumen und stark globalisierte Lieferketten sind also mitverantwortlich für den Wohlstand Deutschlands. Dieses Wirtschaftsmodell war lange erfolgreich. Doch dann kam Corona.

Corona, und nun?

Durch die Pandemie kam es zu wirtschaftlichen Schäden durch Werkschließungen und Störungen in den Lieferketten. Fehlende Rohstoffe und Vorprodukte führten zu stillstehenden Fließbändern und einem Abbremsen der Wirtschaft. Schuld für den wirtschaftlichen Einbruch waren der Ansicht vieler nach hochgradig internationalisierte Lieferketten. Damit stellt sich die Frage: Kommt es also nun zum sogenannten Reshoring und Nearshoring, also zur Rückverlagerung von Produktionsstätten ins Inland sowie in benachbarte Länder?

Den Ökonomen Smith und Ricardo zufolge wäre ein Rückzug Deutschlands aus dem internationalen Welthandel keine Option. Effizienzvorteile würden nicht realisiert, geschweige denn die Problematik gelöst, dass in Deutschland nicht alle Ressourcen zur Produktion verfügbar sind. Berechnungen des ifo Instituts ergaben, dass eine breit angelegte Reshoring-Strategie einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts von knapp 10 Prozent verursachen würde. Der internationale Handel ermöglicht zudem eine Versicherungsfunktion gegenüber Produktionsstörungen im Inland, die entfallen würde. Lockdowns werden durch Importe leichter abgefedert, als dies bei einer hohen Nationalisierung der Produktionsprozesse möglich wäre. Es wird davon ausgegangen, dass Re- und Nearshoring die wirtschaftliche Stabilität von Volkswirtschaften nicht erhöhen, sondern tendenziell verringern und gleichzeitige erhebliche Effizienzverluste verursachen.

So geht‘s

Der Exportmeister Deutschland sollte stärker auf Diversifizierung, also eine Vergrößerung der Anzahl von Lieferländern, setzen, um die Robustheit der Lieferketten zu steigern und strategische Reserven von Gütern zu bilden, die aus sicherheits- und gesundheitspolitischen Gründen als kritisch erachtet werden. Auch die Lagerhaltung von kritischen Vorprodukten, wie z.B. Mikrochips, wäre eine Option. Im Energiesektor dagegen wäre eine Nationalisierung angebracht, um sowohl Abhängigkeiten zu reduzieren als auch durch erneuerbare Energien dem Klimawandel entgegenzuwirken. Derartige Maßnahmen sind außerdem geeignet, andere Krisensituationen zu meistern, wie z.B. nationale Auswirkungen durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.


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