Neues Monopol im Luftverkehr? Die Air Berlin-Rettung als ordnungspolitischer Sündenfall

Nun ist es offiziell: Die EU-Kartellwächter haben dem millionenschweren Rettungskredit  für Air Berlin zugestimmt. Doch die staatliche Finanzspritze der Bundesregierung ist aus ordnungspolitischer Sicht in vielerlei Hinsicht fragwürdig.

Die Bundesregierung ist sich einig: Nach Verkehrsminister Alexander Dobrindt sei es „dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann“.  Unterstützt wird er von vielen Kollegen, etwa von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries: allenfalls aus „wettbewerblichen und kartellrechtlichen Gründen“ könne die Lufthansa nicht alleine Air Berlin kaufen. Doch die Mitbewerber Tuifly, Ryanair und Condor werden wohl trotzdem keine größeren Teile des Unternehmens erwerben können.

Fragwürdige Entscheidung in Bezug auf den Wettbewerb

Es kommt der Verdacht auf, dass die Bundesregierung beim Air Berlin-Verkauf die Lufthansa bevorzugt. Kein Wunder, dass sich Kritiker eher an eine sozialistische Planwirtschaft erinnert fühlen als an marktwirtschaftliche Prinzipien. Dabei scheint es der Regierung bei der Rettung von Air Berlin nicht so sehr auf Kundenwohl, Wettbewerb und Ticketpreise anzukommen, sondern vor allem um die weitere Ertüchtigung des Platzhirsches Lufthansa. Es wird so getan, als folge man den Grundsätzen der Ordnungspolitik, aber in Wahrheit wird ordnungspolitisch alles zurechtgebogen, um dem führenden deutschen Luftfahrkonzern alle Asse zuschieben zu können. Das Ziel ist es, Araber, Briten und Iren mit ihren kundenfreundlichen, weil wettbewerbsfähigen Flugpreisen möglichst kleinzuhalten. Denn Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft und hält die Ticket-Preise in einem überschaubaren Rahmen, sondern macht der Lufthansa das Leben schwer. Die Schaffung eines Quasi-Monopols für die Lufthansa hält ihr dagegen den lästigen Wettbewerb vom Halse. Was würde der Gründungsvater des Ordoliberalismus, Walter Eucken, wohl zu solch einer Einstellung zum Wettbewerb sagen?

Ihm zufolge wären staatliche Eingriffe nur dann gestattet, wenn sie den Wettbewerb stärken und nicht einschränken. Denn nur der freie  Wettbewerb, so Euckens Credo, werde Wohlstand hervorbringen. Auch wenn sich ein Unternehmen in einer Krise befände, sollte der Staat deshalb nicht „in den Spielverlauf eingreifen“ und alle ordnungs- und wettbewerbspolitischen Prinzipien über Bord werfen. Die Bundesregierung scheint aber genau dies zu tun und begeht dabei einen groben ordnungspolitischen Sündenfall, denn schwächelnde Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten oder Unternehmen den innovationsfördernden Wettbewerbsdruck zu nehmen, damit sie vermeintlich zu „nationalen Champions“ werden können, verzerrt das Marktgeschehen. Wird der Fall Air Berlin so behandelt, wie es die Vertreter der Bundesregierung andeuten, dann stellt dies gemäß der Freiburger Schule einen unzulässigen Eingriff des Staates in den Wettbewerb dar.

Die Steuerzahler müssten für den Kredit geradestehen

Noch problematischer wird die ganze Angelegenheit durch einen staatlich abgesicherten Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro für Air Berlin, dessen einzige Funktion es zu sein scheint, dass, so Bundeskanzlerin Merkel, „10.000 Reisende nicht im Stich gelassen“ werden. Dabei vergaß die Bundeskanzlerin nach Meinung vieler Kritiker allerdings den Zusatz „so kurz vor der Bundestagswahl“; dafür aber betonte sie, dass „mit großer, großer Wahrscheinlichkeit gesagt werden (kann), dass der Steuerzahler das nicht bezahlen muss.“ Finanzpolitiker haben daran jedoch weiterhin Zweifel, auch wenn aktuell die Zeichen für eine Rückzahlung etwas freundlicher aussehen, weil die Konkursmasse wohl einigermaßen werthaltig ist. Trotzdem stellt sich auch dem Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrats die Frage, warum ein unternehmerischer Fehler mit Steuergeldern ausgebügelt werden soll. Im Insolvenzfall sollten die Anteilseigner bluten, nicht die deutschen Bürger.

Insolvenz – gleiches Recht für alle?

Nebenbei stellt sich auch noch eine weitere fundamentale Frage, die am Selbstverständnis der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland kratzt und daher von größter Relevanz ist: Warum werden immer wieder große Kapitalgesellschaften, die in die Krise geraten sind, vom Bund unterstützt und gerettet, während die vielen Familienunternehmen, die den deutschen Mittelstand ausmachen, stets alleine für ihre Entscheidungen haften müssen? Staatliche Unterstützung können sie nicht erwarten. Mit den ordnungspolitischen Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft verträgt sich dies nicht. Im Falle einer Insolvenz sollten die gleichen Bedingungen, Gesetze und Regulierungskriterien für alle Unternehmen gelten, d.h. staatliche Hilfen müssen die absolute Ausnahme bleiben und bedürfen einer sorgfältigen Rechtfertigung, wenn es sie überhaupt geben soll.

Man kann nur hoffen, dass auch andere Fluggesellschaften etwas vom „Air Berlin-Kuchen“ abbekommen, um wenigstens ein Mindestmaß an Wettbewerb am deutschen Himmel zu erhalten. Ansonsten werden die Kunden ebenso wie die deutsche Volkswirtschaft als Ganzes leiden, denn staatliche Eingriffe können marktwirtschaftliche Lösungen dauerhaft nur verschlechtern. Die Air Berlin-Rettung würde dann als schmerzliche Niederlage für die Soziale Marktwirtschaft in Erinnerung bleiben.

 

Beitragsbild:

Jake VanderMolen / CC BY-SA 2.0, www.flickr.com
Aero Icarus /CC BY-SA 2.0, www.flickr.com
N3MO, www.wikipedia.de

Eigene Bearbeitung und Collage der Originalbilder.

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