Für´n Zwanni zum Ballermann: Eine ökonomische Bilanz des Ryanair-Booms.

Ryanair mischt den europäischen Luftverkehr kräftig auf: Von Frankfurt nach Mallorca geht es für 20 Euro inklusive aller Steuern und Gebühren. Die Konkurrenz verlangt 500% mehr. Da stimmt was nicht. Irgendjemand muss also die Rechnung bezahlen, doch wer?

Die Billig-Airline Ryanair boomt. Sie ist im Jahr 2016 zur größten europäischen Fluglinie aufgestiegen. Es ist ein Wettbewerb entstanden, der vor zwanzig Jahren noch undenkbar war. Auf den ersten Blick stellen die gesunkenen Ticketpreise eine erfreuliche Entwicklung dar. Doch wie hat es Ryanair geschafft, so erfolgreich zu sein?

Der günstigste Flugtarif bei Ryanair beinhaltet nur Handgepäck. Durch Gebühren für zusätzliches Gepäck und sonstige Serviceleistungen gelingt es, den negativen Deckungsbeitrag der Flüge, also die Differenz aus dem Erlös und den Kosten eines Flugs, auszugleichen und einen Gewinn zu erwirtschaften. Jedoch haben diese Zusatzerlöse auch Einfluss auf die Sicherheit der Passagiere. Werden Notausgangsitze nicht verkauft, bleiben sie leer. Wer im Notfall die Türen öffnen soll, bleibt ein Rätsel. Während bei anderen Airlines Flugbegleiter zuerst für die Sicherheit und dann für den Service sorgen sollen, kalkuliert Ryanair härter und beteiligt das Kabinenpersonal sogar an den Verkaufsprovisionen für Snacks und Getränke. Man ahnt, wie dies die Prioritäten verändert.

Ryanair hat es geschafft, dass die Kosten pro Kunde und Flug gerade einmal 48 Euro betragen. Doch wie ist es möglich, auf diese niedrigen Stückkosten zu kommen? Ein wesentlicher Grund sind die Arbeitsbedingungen. Laut Süddeutscher Zeitung sollen Piloten als Scheinselbstständige arbeiten. Ein Anspruch auf eine Krankenversicherung, Rentenversicherung oder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung besteht nicht. Und nicht nur im Cockpit werden unterdurchschnittliche Löhne gezahlt: Ein Flugbegleiter erhält maximal 18.000 Euro jährlich. Wer krank ist, erhält keinen Lohn. Schließlich wird auch noch auf die kostenintensive Ausbildung von Piloten verzichtet; fertig ausgebildete Piloten werden anderswo abgeworben. Dies konnte nicht ohne Folgen bleiben und so hat auch der Rest der Flugfahrtbranche mittlerweile auf die Konkurrenz aus Irland reagiert. Auch etablierte Fluglinien stellen Piloten inzwischen über Tochtergesellschaften ein und zahlen niedrigere Löhne. Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung sind noch nicht absehbar.

Über 1800 tägliche Flüge ermöglichen es speziell jungen Leuten, zu reisen und neue Kulturen kennen zu lernen. Ohne günstige Flugtickets wäre dies in dieser Form nicht möglich. Durch die hohen Passagierzahlen werden zudem Arbeitsplätze an Flughäfen geschaffen. Doch diese positiven Effekte sind nur möglich, weil entgegen einer bestehenden EU-Verordnung von Ryanair stets nur ein Gesamtpreis angegeben wird und keine exakte Aufschlüsselung. Ein Flug kann damit zum symbolischen Preis von einem Euro verkauft werden – inklusive großartigem Werbeeffekt. Somit werden auslastungsschwache oder konkurrierende Strecken günstiger als bei der Konkurrenz angeboten. Problematisch ist der Gesamtpreis für die Kunden, wenn sie bei Stornierung die ihnen rechtmäßig zustehenden, aber nicht ausgewiesenen Steuern und Gebühren nicht mehr zurückerhalten.

Ein weiteres erhebliches Problem, das durch die veränderte Wettbewerbssituation durch Billigairlines aufgetreten ist, stellt die Umweltbelastung dar. In der Zeit vor Ryanair gab es im Flugverkehr nationale Quasi-Monopole mit hohen Preisen. Durch die Öffnung des Marktes fielen die Preise und stiegen die Nachfrage nach Flügen und damit die Umweltbelastung durch zusätzliche Flüge dramatisch an. Da Billig-Airlines oft Klein- und Kleinstflughäfen anfliegen, die zusätzlich durch Staatssubventionen gefördert werden, wird ein Kundensegment angesprochen, dem das Reiseziel zumeist egal ist, solange die Tickets günstig sind. Die Ökobilanz wird zusätzlich belastet, wenn die Passagiere weit entfernt von ihrem Wunschziel erst noch in Bus oder Leihwagen umsteigen müssen. Eigentlich müssten diese negativen externen Effekte durch eine zusätzliche Kerosinabgabe eingepreist und damit internalisiert werden. Offenbar ist der politische Wille hierfür aber nicht besonders ausgeprägt, da nicht nur internationale Flugtickets, sondern auch Kerosin von der Mehrwertsteuer befreit sind.

Ryanair hat es geschafft, durch günstige Preise populär zu werden. Wer sich dem Geschäftsmodell anpasst, kann außerordentlich günstig fliegen, was jedoch durch einen unlautereren Wettbewerb ermöglicht wird. Durch eine Art Sozialleistungsdumping werden die Kosten reduziert, wodurch selbst bei Niedrigpreisen große Gewinne eingefahren werden. Das elementare Problem der Branche stellt die unzureichende Besteuerung der anfallenden Umweltbelastung dar. Die Verantwortung liegt beim Staat, dies nicht weiter kommentarlos hinzunehmen und diese Stellschraube zur Regulierung zu nutzen. Obwohl oder gerade weil die Rechnung der Airline aufgeht, sollten die Verbraucher über das Geschäftsmodell ausreichend aufgeklärt werden, um die damit einhergehenden Auswirkungen kritisch hinterfragen zu können.

Beitragsbild: Sean MacEntee, www.flickr.com


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