Studiengebühren: Politisch tot oder doch wieder salonfähig?

Das neue Gesetz zur Einführung von Studiengebühren für internationale Studierende in Baden-Württemberg hat landesweit zu einer Welle der Empörung und zu zahlreichen Protesten geführt. Auch wenn Studiengebühren ein politisch unbeliebtes Thema sind, muss eine Debatte darüber im Hinblick auf eine nachhaltige Hochschulfinanzierung geführt werden.

Ab dem Wintersemester 2017/2018 werden in Baden-Württemberg Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer (und auch für das Zweitstudium) eingeführt. Als Hauptgrund nennt die Landesregierung die Notwendigkeit, die Studienbedingungen für internationale Studierende zu verbessern. Angesichts der Tatsache, dass von 1.500 Euro Gebühren pro Semester nur 300 Euro an die Hochschulen fließen, dürfte die Wahrheit aber eher eine andere sein: Es geht um Haushaltskonsolidierung vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, die natürlich auch den Wissenschaftsbereich betrifft. Eine Einnahmensteigerung durch die Gebühren soll Kürzungen in diesem Bereich vermeiden.

Diese Nachricht hat in den vergangenen Monaten in ganz Baden-Württemberg zu Protesten an vielen Hochschulen geführt. Auch in Freiburg wurde aus diesem Grund das Audimax für zwei Tage besetzt. Viele sehen durch Studiengebühren das Recht auf freie Bildung für alle gefährdet und betrachten sie allgemein als soziale Ungerechtigkeit. Die Einführung der Gebühren für internationale Studierende und Studierende im Zweitstudium wird außerdem nur als Vorstufe von allgemeinen Studiengebühren angesehen. Angesichts der zu erwartenden negativen Reaktion der Bevölkerung ist es deshalb ein gewagter Schritt der Landesregierung, dieses politische Tabu-Thema anzugehen.

Doch gibt es gute Gründe dafür, generell über die Wiedereinführung von Studiengebühren nachzudenken, denn die Anzahl der Studierenden befindet sich auf einem Allzeithoch, mit einer weiterhin steigenden Tendenz. Den anhaltenden Akademisierungstrend bestätigt die Körber-Stiftung in ihrer Studie „Antworten auf die Massifizierung“, die im Februar 2017 anlässlich des zweiten »Hamburg Transnational University Leaders Council« veröffentlicht wurde. Sie zeigt den enormen Zuwachs an Studierenden sehr deutlich: In vielen Ländern studiert über die Hälfte eines Jahrgangs. Außerdem wird ein Trend zur Privatisierung festgestellt, vor allem in Ländern, in denen die erhöhte Nachfrage nach Studienplätzen nicht von den öffentlichen Hochschulen abgedeckt werden kann. Die Hochschulen stehen daher vor großen Herausforderungen, denn sie müssen ihr Angebot der steigenden Nachfrage anpassen und gleichzeitig die Qualität der Lehre sichern sowie international wettbewerbsfähig bleiben – sowohl in der Lehre als auch in der Forschung. Hierbei spielt die Frage der Hochschulfinanzierung eine wesentliche Rolle.

Die Eigenbeteiligung der Studierenden durch Studiengebühren muss daher ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Jedoch werden Studiengebühren sofort mit sozialer Ungerechtigkeit und dem Privileg einer kleinen, reichen Elite verbunden. Oft wird die Debatte dabei jedoch von einem starken Schwarzweiß-Denken dominiert. Denn auch bei Studiengebühren kann ein intelligentes Modell mit Ausnahme- und Befreiungsregelungen sowie finanzieller Förderung für jeden, unabhängig von der sozialen Herkunft, einen Studienplatz zugänglich machen. Gleichzeitig ist Gebührenfreiheit nicht automatisch sozial gerecht: die Mehrzahl der Studierenden kommt immer noch aus der breiten Mittelschicht, die sich ein Studium auch mit Studiengebühren leisten könnte. Warum sollte die arbeitende Bevölkerung mit ihrem Anteil am Steueraufkommen gerade diesen das Studium finanzieren, wenn es den Studierten in vielfacher Form private Vorteile bringt?

Die Wichtigkeit der (Hochschul-)Bildung für den Einzelnen sowie die ganze Gesellschaft eines Landes kann nicht überschätzt werden. Sie muss für alle zugänglich sein beziehungsweise mit allen Mitteln zugänglich gemacht werden. Aber die Qualität der Bildung ist nicht zweitrangig und erfordert daher eine langfristig intelligente und tragfähige Finanzierung. Dazu kann zum Beispiel ein System an moderaten Gebührensätzen (die größtenteils direkt an die Hochschulen fließen) mit sozialverträglichen Ausnahmeregelungen beitragen. Es ist deshalb dringend notwendig, dass Studiengebühren wieder öffentlich debattiert werden können, ohne dass deren Befürworter dabei sofort ins politische Abseits befördert werden.

Kommentare

1 Antwort zu „Studiengebühren: Politisch tot oder doch wieder salonfähig?“

  1. Avatar von researchmonitor

    Auch wenn ich der Autorin zustimme, gilt es, nicht die politisch-ökonomische Seite zu vergessen. Bei der Einführung allgemeiner Studiengebühren würden wie in jedem politischen Prozess verschiedene Interessengruppen versuchen, das jeweilige Gesetz zu ihren eigenen Bedingungen durchzudrücken.

    Dabei zieht eher die Interessengruppe den Vorteil, die besser organisiert ist – und somit wohl wieder eher das Bildungsbürgertum, welches Bildung als besonders wichtiges Gut für sich selbst identifiziert.

    Fazit dieser eher holprigen Sätze 🙂
    “Sozial verträgliche” und “intelligente” Gesetze klingen immer gut – doch wie viele werden wirklich umgesetzt?

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