Die Maut, die keiner braucht

Ganz offensichtlich ist es CSU-Chef Horst Seehofer und seinem Parteikollegen und Verkehrsminister Alexander Dobrindt sehr ernst mit ihrer PKW-Maut. Vehement verweisen sie seit Wochen auf deren Verankerung im Koalitionsvertrag und bestehen auf eine baldige Umsetzung des vorgelegten Entwurfs. Und im Moment sieht es tatsächlich danach aus, einiger Kritik – auch aus den eigenen Reihen – zum Trotz,  als bekämen die beiden ihren Willen. Blöd nur, dass sie sich damit beileibe keinen Gefallen tun. Denn die Maut wird scheitern. Die Einnahmen sind gering, eine Lenkungsfunktion ist nicht vorhanden und obendrein gibt es Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Modells mit geltendem EU-Recht. Der bürokratische und administrative Aufwand macht die PKW-Maut schließlich zu einem phänomenal ineffizienten Instrument, welches sich völlig zu Recht heftigster Kritik ausgesetzt sieht. Doch bei ihrem einen bundespolitischen Projekt pro Legislaturperiode lässt sich die CSU traditionsgemäß nicht gerne hereinreden. Vielmehr wird sie die Maut um jeden Preis durch das Parlament boxen und sich dann für deren Einführung selbst auf die Schulter klopfen. Weshalb man nur hoffen kann, dass sie dabei doch noch scheitert, soll im Folgenden verdeutlicht werden.

Juristisch umstritten – Moralisch unvertretbar

Ohne zu sehr in die Details zu gehen, sieht das bayrische Modell für die PKW-Maut in etwa so aus: Jeder, der in Zukunft auf deutschen Straßen fahren möchte, muss dafür bezahlen. Beim Kauf einer Jahresvignette ergeben sich Preisunterschiede, welche sich nach Parametern wie dem Verbrauch und dem Hubraum des gefahrenen Autos richten. Vignetten für zehn Tage bzw. einen Monat erhält man dagegen nur zum Einheitspreis. Der besondere Trick dabei: Deutsche Autofahrer sollen die Vignette zwar „bezahlen“, erhalten jedoch exakt denselben Betrag in Form einer Minderung der Kfz-Steuer wieder. Sie nutzen die deutschen Straßen also weiter zum Nulltarif. Diese „Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute“ steht im Koalitionsvertrag. Doch selbst ausgewiesene Laien des europäischen Rechts dürfte dies stutzen lassen. Ausschließlich Ausländer sollen für die Finanzierung deutscher Infrastruktur aufkommen? Wenn das keine Diskriminierung ist, was dann? Die Verfechter der Maut argumentieren damit, dass EU-Länder bei der Ausgestaltung ihrer Steuersysteme weiterhin Entscheidungsfreiheit genießen und die Reform der Kfz-Steuer unabhängig von der Maut geschehe. Formal wird die Vignette schließlich auch vom deutschen Autofahrer bezahlt. Scheinheiliger geht es kaum. Selbst wenn diese Form der Maut letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof besteht, so gibt sie dennoch ein völlig falsches Signal und wird gerade den politischen Beziehungen zu einigen Anrainerstaaten wie den Niederlanden oder Österreich erheblich schaden.

Viel Lärm um Peanuts

Man würde meinen, ein solches Projekt trage wenigstens einen erheblichen Teil zur Sanierung der deutschen Infrastruktur bei. Doch mitnichten! Schätzungen des ADAC zu Folge lägen die Einnahmen durch ausländische Nutzer deutscher Straßen bei gut 260 Mio. Euro. Diesen stünden Verwaltungskosten in Höhe von etwa 300 Mio. Euro gegenüber – das macht unter dem Strich ein Minus von 40 Millionen Euro! Naturgemäß liegen die Schätzungen des Verkehrsministeriums deutlich über diesen Zahlen, doch selbst die optimistischsten Studien liefern voraussichtliche Einnahmen von lediglich rund 800 Mio. Euro. Dabei belaufen sich allein die Ausgaben für Bundesstraßen im Bundeshaushalt 2014 auf rund drei Milliarden Euro. In ihrem Wahlprogramm forderte die Union sogar fünf Milliarden Euro mehr für die Bundesfernstraßen. Zur zügigen Sanierung des deutschen Verkehrssystems werden die Mehreinnahmen aus der Maut also mit Sicherheit nicht ausreichen. Viel eher bringt die Ausgestaltung der Finanzierung noch erhebliche Probleme mit sich. Wie sich Finanzminister Schäuble damit arrangieren wird, dass die Maut über die Kfz-Steuerreform indirekt in seinen Steuertopf greift, bleibt abzuwarten. Die Zweckungebundenheit von Steuereinnahmen gibt dem Finanzminister die Möglichkeit, dieses Loch mit Hilfe anderer Steuererhöhungen zu stopfen – ein nicht ganz unwahrscheinliches Szenario. So sieht auch die Mehrheit der Deutschen die Gefahr, durch die Maut doch finanziell belastet zu werden.

Genauso sind die Auswirkungen des immensen bürokratischen Aufwands finanziell noch nicht klar abzuschätzen. Hierbei geht es um einen kompletten bürokratischen Apparat, der neu geschaffen wird. Dessen kleinster Teil ist die Herstellung und der Vertrieb der Vignetten, eine viel bedeutendere Rolle wird die spätere Kontrolle der Mautpflicht einnehmen. Letztlich deutet alles darauf hin, dass Aufwand und Ertrag der Maut in keinem gesunden Verhältnis zueinander stehen.

Die Maut als Lenkungsinstrument – eine schöne Illusion

Neben all ihren finanziellen Nachteilen und Unwägbarkeiten, offenbart Dobrindts Maut auch große Schwächen in ihrer Funktion als Ordnungsinstrument. Ein Ziel bei der Einführung einer Maut muss es sein, die Autofahrer über individuelle finanzielle Anreize zu kollektiv wohlfahrtserhöhenden Entscheidungen zu verleiten. Konkret geht es dabei um die Vermeidung von Staus und der Überlastung bestimmter Strecken sowie nicht zuletzt um die Reduktion von CO2-Emissionen. Sehr einfach zu realisieren wäre die Einführung einer streckenabhängigen Maut, welche längere Autofahrten teurer macht und somit einen Anreiz schafft, auf andere Verkehrsmittel zurückzugreifen. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten sind selbst GPS-gestützte Systeme denkbar, welche dann situativ anpassungsfähig wären. Erhöht sich das Verkehrsaufkommen auf Bundesautobahn X, so erhöht sich die Maut und im Idealfall wird die Staubildung verhindert. Im Sinne der Spitzenlasttarifierung, besser bekannt als „Peak load pricing“, können so zudem die Kosten der Maut auf die Nutzer während der Spitzenlastzeiten umgewälzt werden, während abseits der Stoßzeiten nur geringere Kosten zu tragen wären. Die Lenkungsfunktion eines solchen Modells liegt auf der Hand. Selbstverständlich sind diese Modelle im Moment ihrerseits auch nur Gedankenspiele und selbst nicht unangreifbar. Sie zeigen jedoch auf, dass gewisse Möglichkeiten zur Lenkung durchaus gegeben sind. Eine Vignettenmaut allerdings, welche für alle Straßen gleichermaßen gilt, schrammt an einer Lenkungsfunktion welcher Art auch immer leider nicht knapper vorbei als die Erde an der Sonne.

Fazit

Was bleibt also? Im besten Falle gelingt es der Vielzahl an Maut-Kritikern doch noch, die Maut-Verfechter Seehofer und Dobrindt zum Einlenken zu bewegen und zumindest eine offene Diskussion über Alternativen zum jetzigen Modell zu ermöglichen. Andernfalls zeichnet eben dieses Modell in den kommenden Jahren für explodierende Verwaltungsausgaben, sinkende Einnahmen aus dem Tourismus in Grenzgebieten, Nachahmereffekte, Steuererhöhungen an anderen Stellen und kaum oder keine Mehreinnahmen verantwortlich. Eigentlich darf diese Maut also schon längst nicht mehr zur Debatte stehen!


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