Gegen Umweltverschmutzung und Ausbeutung: Im Januar 2023 trat das europäische Lieferkettengesetz in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen, Verantwortung für soziale und ökologische Standards entlang ihrer Lieferkette zu übernehmen und gilt als Meilenstein im Kampf für globale nachhaltige Lieferketten. Aber was bedeutet die Umsetzung konkret für Entwicklungsländer? Welche Chancen und Risiken bringt das Gesetz mit sich?
Auf moralischer Ebene lässt sich zunächst nicht bestreiten, dass eine erfolgreiche Umsetzung des Gesetzes erstrebenswert ist. So schafft es langfristig wichtige Impulse für nachhaltige Praktiken. Gemeinden in Entwicklungsländern sind häufig nicht nur mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert, sondern auch mit den direkten Auswirkungen von Umweltverschmutzung durch Unternehmen. Viele Menschen sind beispielsweise von Wasserverschmutzung durch Chemikalien betroffen – verursacht durch die Textilindustrie. Das Gesetz zwingt diese Fabriken, ihre umweltschädlichen Praktiken zu reduzieren. Da ihre Lebensgrundlage geschützt wird, können von Verschmutzung betroffene Gemeinden somit langfristig von der Einhaltung der Auflagen profitieren.
Darüber hinaus gilt: Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das Lieferkettengesetz bringt Unternehmen dazu, gegen schlechte Arbeitsbedingungen und Ausbeutung vorzugehen. So können Missstände in Entwicklungsländern effektiv angegangen werden.
Jedoch birgt das Lieferkettengesetz für Zulieferer aus Entwicklungsländern auch Risiken, welche nicht unbeachtet bleiben dürfen. Kritiker warnen, dass insbesondere kleinere Betriebe keine Kapazitäten besitzen, um sich mit den komplexen Vorschriften auseinanderzusetzen. So mussten schon jetzt viele Unternehmen in Entwicklungsländern schließen. Betrachtet man die Textilbranche in Bangladesch, so sind dort die Bekleidungsimporte nach Deutschland im Jahr 2023 um mehr als ein Fünftel gesunken. Für die betroffenen Länder ist das fatal. In Bangladesch etwa fallen zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf die Bekleidungsindustrie. Knapp 45.000 Menschen verloren durch die Schließung von 320 Textilfabriken ihre Arbeit. Der Verlust dieser Arbeitsplätze hat fatale Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft.
Die Importe nach Europa sind dabei jedoch nicht zurückgegangen – stattdessen wurden sie umgelenkt. Immer mehr Textilien stammen aus Ländern wie Nordmazedonien oder Marokko, während europäische Unternehmen zunehmend Entwicklungs- und Schwellenländer mit schwacher Governance meiden. Von deutschen Unternehmen wurde die Tendenz der Verlagerung bestätigt. Was bedeutet das für das Lieferkettengesetz? Es bleibt die Frage, ob das Gesetz langfristig tatsächlich den gewünschten Effekt erzielt und Menschenrechte und Umwelt schützt oder ob es Handelsströme lediglich umlenkt. Ausgeschlossene Zulieferer können auf lange Sicht Abnehmer in Ländern mit niedrigeren Standards finden – etwa in China, was wiederum weitreichende Folgen für die Produktionsstandards vor Ort hätte.
Es lässt sich festhalten, dass das europäische Lieferkettengesetz ein bedeutender Schritt in Richtung einer gerechten und nachhaltigen Weltwirtschaft ist. Ein Blick auf die Entwicklungsländer zeigt, dass jedoch auch Risiken bestehen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Damit das Gesetz seine positive Wirkung entfalten kann, ist es wichtig, dass bestehende Lieferanten bei der Implementierung nicht allein gelassen werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass diese mit negativen Folgen wie Betriebsschließungen konfrontiert werden. Entwicklungsländer müssen aktiv begleitet und unterstützt werden. Nur so können sie von den Chancen des Lieferkettengesetzes profitieren, ohne unter den Risiken zu leiden.
Titelbild: erstellt mit KI (Canva)
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