Revolutionäre Idee oder doch nur eine Utopie? Das neue Modell des bedingungslosen Grundeinkommens

Das bedingungslose Grundeinkommen ist wieder in aller Munde, denn es gibt einen neuen Internetrechner, der aufzeigen soll, dass es tatsächlich finanzierbar ist. Eine geniale Idee und wir erhalten bald alle ein bedingungsloses Grundeinkommen oder hat die Sache einen Haken?

Die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen wurde schon vor einigen Jahren entfacht, als die damalige Regierung unter Altkanzler Gerhard Schröder 2005 die Arbeitslosenhilfe durch Hartz IV ersetzte. Seitdem gibt es verschiedene Konzepte des bedingungslosen Grundeinkommens. Im Kern fordern diese jedoch alle, dass ein fester Geldbetrag in einem monatlichen Rhythmus ohne zeitliche Begrenzung und ohne Gegenleistung an alle berechtigten Bürger ausgezahlt wird. Das Grundeinkommen hat zum Ziel, das soziokulturelle Existenzminimum und die gesellschaftliche Teilhabe zu garantieren.

Der neue Rechner wurde von dem Verein „Mein Grundeinkommen“ entwickelt, welcher sich für das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland stark macht. Die Simulation soll nun aufzeigen, dass das bedingungslose Grundeinkommen tatsächlich umsetzbar ist, wird doch regelmäßig von Kritikern geäußert, dass das Grundeinkommen schlicht nicht finanzierbar sei. Die Berechnungen basieren auf Beispielhaushalten, die sich aus Daten des sozio-ökonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ableiten. Im Konfigurator können verschiedene Szenarien simuliert werden. Zum Beispiel kann die Einkommenssteuer oder die Mehrwertsteuer erhöht werden und Sozialleistungen, wie beispielsweise Kindergeld oder Bafög, können gestrichen werden. Mit diesen Modifizierungen dieser Parameter soll sich zeigen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle finanzierbar ist.

Doch kann der Saat sich das bedingungslose Grundeinkommen wirklich leisten? Nein, das kann er nicht! Das neue Modell berücksichtigt nämlich nur, wie sich das Geld bei einer Einführung des Grundeinkommens verteilen würde, wenn alle Menschen genauso weiterarbeiten würden wie bisher. Demnach sind die Berechnungen unrealistisch, denn bei einem so starken Eingriff in das bisherige Steuer- und Sozialsystem würden Menschen ihr Verhalten an das neue Grundeinkommen und an die neuen Parameter des Steuer- und Sozialsystems anpassen. Eine Studie des ifo Instituts aus dem Jahr 2021 zeigt, dass die Menschen weniger arbeiten würden, wenn sie ein Grundeinkommen erhielten. Die Studie verweist auf einen Rückgang des Arbeitsvolumens um 14 Prozent in einem Szenario mit einem bedingungslosen Grundeinkommen.

Der Grund ist, dass das Grundeinkommen dazu verführt, auf ein höheres Einkommen zu verzichten, um mehr Freizeit zu erhalten – was durchaus den Ideen der Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens für eine weniger vom Arbeitsdruck geprägte Gesellschaft entsprechen dürfte. Diese Entscheidung wirkt sich allerdings auch negativ auf das Steueraufkommen aus: Ist weniger zu versteuernden Einkommen vorhanden, wäre die Finanzierbarkeit gefährdet und ein bedingungsloses Grundeinkommen in einer existenzsichernden Höhe nicht mehr umsetzbar.

Auch weitere potenzielle Ausweichreaktionen bringen die Finanzierbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens ins Wanken. Dazu zählt das Auswandern von Gutverdienern, denn in der EU gelten Freizügigkeitsregelungen, das heißt, EU-Bürger können sich frei in EU-Ländern ansiedeln. Die bisherigen Spitzenverdiener werden kaum Einkommenssteuersätze von über 70 Prozent oder die Einführung einer Vermögenssteuer in Kauf nehmen, um ein Grundeinkommen für andere zu finanzieren. Ebenso würden Investoren und Unternehmen ihren Standort verlegen, um deutlich höheren Unternehmenssteuern zu entfliehen. Somit würde mehr Arbeitslosigkeit entstehen und der Staat geriete finanziell unter Druck.

Es wird also deutlich, dass die Einführung eines schicken neuen Internetrechners das bedingungslose Grundeinkommen nicht finanzierbarer macht. Die Aussage des DIW, das die Prognose von Verhaltensänderungen mit großer Unsicherheit verbunden sei und man sie deshalb gleich ganz weglasse, macht den Rechner, der zugleich mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit beworben wird, zudem nicht unbedingt vertrauenswürdiger. 

Ob das bedingungslose Grundeinkommen noch zeitgemäß ist, ist eine ganz andere Frage. Das Konzept stammt aus einer Zeit, in der die Zahl der Arbeitslosen hoch war und es wenige Arbeitsplätze gab. Dies ist nun nicht mehr der Fall, denn heute befinden wir uns in einem Arbeitnehmermarkt. Um schlechtbezahlten und unbeliebten Berufen gerecht zu werden, wären faire Löhne und gesteigerte Gehälter wohl ein sinnvollerer Weg. Der inzwischen sehr scharfe Wettbewerb um Fachkräfte hilft dabei. Der einzige Nachteil: ganz ohne eigenen Arbeitseinsatz wird es nicht gehen.

Kommentare

2 Antworten zu „Revolutionäre Idee oder doch nur eine Utopie? Das neue Modell des bedingungslosen Grundeinkommens“

  1. Avatar von Yannick Schmauder
    Yannick Schmauder

    Zusätzlich ist zu bedenken, dass das Bedingungslose Grundeinkommen Anreize für “Free-Rider” oder “Trittbrettfahrer” mit sich bringt. Die Trittbrettfahrerproblematik besteht, wenn öffentliche Güter (wie die Grundsicherung des Bedingungslosen Grundeinkommens) von Wirtschaftssubjekten genutzt werden, ohne eine Gegenleistung in Form von Arbeitsleistung oder Abgaben (Steuern) dafür zu erbringen. So könnten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland oder auch aus dem Ausland versuchen, die Grundsicherung in Anspruch zu nehmen ohne einen Beitrag dafür zu leisten. Anreize für freiwillige Erwerbstätigkeit und Umverteilung könnten die Finanzierung und Umsetzung eines solchen Systems unterstützen oder das Bedingungslose Grundeinkommen sogar “überflüssig” machen.

  2. Avatar von Tim T.
    Tim T.

    Ein wesentliches Argument für das bedingungslosen Einkommens ist der weiter zunehmende technologische Fortschritt. Dieser führt dazu, dass weniger Arbeit nötig ist um dasselbe zu produzieren. In den letzten Jahrhunderten ist daher der Wohlstand gestiegen und damit auch die Freizeit, welche ebenfalls ein Konsumgut ist. Dadurch dass weniger Arbeit nötig ist, sinkt jedoch auch der Anteil des Volkseinkommens, der diesem Produktionsfaktor zufließt. Mehr fließt dem Kapital zu.

    Problematisch an diesem Trend ist, dass jeder Mensch ohne Kapital geboren wird. Dieses wird ihm im Laufe seines Lebens geschenkt, vererbt, er erarbeitet es sich oder es wird ihm durch den Staat gegeben. Wenn weniger Geld an den Produktionsfaktor Arbeit fließt und viel Kapital über erben und schenken im familiären Kreis weitergegeben wird, öffnet sich unweigerlich die Schere zwischen arm und reich und die Chancengleichheit sinkt. Daher ist ein staatlicher Umverteilungseingriff nötig. Ob ein bedingungsloses Grundeinkommen dafür das richtige Werkzeug ist, sei mal dahingestellt.

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