Coopetition: Rivalen müssen Freunde werden

Klima, Krieg und Katastrophen. Täglich konfrontieren uns die Medien mit neuen Schreckensbildern. Doch spätestens mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind wir Menschen in Europa in einer „Neuen Welt“ aufgewacht. Diese Neue Welt meint nicht die herrlichen Wachstums- und Entwicklungspotenziale, die Christopher Kolumbus mit seiner Entdeckung Amerikas einst dem spanischen Königshaus bescherte. Im Gegenteil. Diese Neue Welt verspricht vielmehr eine große Herausforderung zu werden, die nicht mehr von einem Unternehmen oder einer Branche allein bewältigt werden kann. Es braucht etwas, das „Coopetition“ genannt wird.

Coopetition: Was ist das?

Der Begriff Coopetition setzt sich aus den englischen Wörtern cooperation (Zusammenarbeit) und competition (Wettbewerb) zusammen und bezeichnet Marktphänomene, bei welchen eine Dualität aus Kooperation und Wettbewerb besteht, ohne dass explizit kooperiert wird. Eine Coopetition besteht immer dann, wenn Unternehmen, die in direkter Konkurrenz zueinanderstehen, in einem bestimmten Bereich (z.B. Forschung und Entwicklung), eine Kooperation eingehen, aber in allen anderen Bereichen weiterhin als Wettbewerber auftreten. Ein aktuelles Beispiel für Coopetition ist die im Sommer 2020 vereinbarte Zusammenarbeit zwischen den Autoproduzenten Volkswagen und Ford auf dem Gebiet der leichten Nutzfahrzeuge sowie in den Bereichen Elektromobilität und autonomes Fahren. Aber auch andere Unternehmen haben den Vorteil der Zusammenarbeit mit dem Wettbewerber erkannt und die Strategien der Coopetition genutzt, um ihr „Spiel“ zu verändern und Innovationen hervorzubringen.

Das Spiel verändern, statt ein vorgefundenes Spiel zu spielen

Nach den beiden US-amerikanischen Professoren Barry Nalebuff und Adam Brandenburger ist Coopetition eine Anwendung spieltheoretischen Denkens im Geschäftsleben. Die beiden Ökonomen argumentieren, dass Unternehmen sich nicht darauf beschränken müssen, ein vorgefundenes Spiel zu spielen – also die vorhandenen Marktstrukturen zu akzeptieren –, sondern das Spiel aktiv gestalten und damit das klassische Denken in Gewinnern und Verlierern überwinden können. Denn der Zweck einer Coopetition ist es, eine Kooperation zwischen Konkurrenten zu schließen, durch die alle Beteiligten bessergestellt werden als bei naiver Konkurrenz. Dass das Konzept dabei helfen kann, schneller benötigte Innovationen hervorzubringen, zeigte jüngst die strategische Partnerschaft zwischen Pfizer und BioNTech. Sie kooperierten erfolgreich auf dem Gebiet der mRNA-Technologie zur Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs und konkurrieren weiterhin auf dem Gebiet der Onkologie, wo sie unabhängig voneinander Grundlagenforschung betreiben.

Coopetition: Spielerisch die Welt verbessern

Das Konzept klingt verlockend und es kann in Zukunft bei der Bewältigung globaler Probleme helfen. So könnte beispielsweise ein Zusammenarbeiten der konkurrierenden Knowhow-Träger im Bereich der erneuerbaren Energien vor dem Hintergrund der vorherrschenden Energiepreiskrise schnelle Erleichterung und dringend benötigte Entlastung sowohl für den Staat als auch die Bürger bringen. Gleichzeitig profitieren die kooperierenden Unternehmen. Doch allzu oft sind die Hindernisse für eine Zusammenarbeit – gerade zwischen Wettbewerbern – schwer zu überwinden und die Regeln für ein Engagement sind kompliziert. Die wettbewerblichen Regeln unserer Marktwirtschaft müssen schließlich unbedingt eingehalten und das Aufsehen der Kartellbehörden vermieden werden. Um diese Herausforderung bei der Bildung von Coopetitions zu überwinden, sollten internationale Organisationen (oder Regierungen) neutrale Plattformen für Partnerschaften schaffen, an welche sich Unternehmen wenden können. Das Social Development Goal #17 zur „Wiederbelebung der globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung“ ist in diesem Zusammenhang ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Es ist an der Zeit, die Vorzüge der Coopetition endlich großflächiger zu nutzen. Denn ohne Coopetition kann das für die „Neue Welt“ benötigte Wissen für die Entwicklung neuer und notwendiger Technologien nicht so schnell erworben werden, wie es benötigt wird, und ein zweites Amerika im Sinne des Christopher Kolumbus bliebe womöglich unentdeckt.


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