Erst Russland, jetzt China: Ist Deutschlands Wirtschaft zu abhängig?

Der Ukrainekrieg hat gezeigt, wie verwundbar sich Deutschland macht, wenn es in eine zu starke außenwirtschaftliche Abhängigkeit gerät. Seit der daraus resultierenden Energiekrise steht das handelsorientierte deutsche Wirtschaftsmodell grundlegend in Frage. Nun droht sich das Szenario zu wiederholen: mit kritischen Rohstoffen aus China.

Kaum ein anderes Land profitiert so stark von offenem Handel wie der „Exportweltmeister“ Deutschland. Die Außenhandelsquote, also der Anteil von Exporten und Importen am Bruttoinlandsprodukt, liegt bei über 88 Prozent und zeigt, wie stark Deutschland in den Welthandel integriert ist. Was in der Vergangenheit maßgeblich zum Wohlstand des Landes beigetragen hat, wird nun bei geopolitischen Spannungen zur Gefahr. Besonders in der Energieversorgung hat sich Deutschland enorm abhängig von russischem Gas gemacht, was Russland im Ukraine-Krieg nur allzu gern als politisches Druckmittel nutzt.

Aus den Folgen der handelspolitischen Abhängigkeit und deren Missbrauchsmöglichkeiten muss Deutschland lernen und sein Wirtschaftsmodell entsprechend anpassen. Denn nicht nur von russischem Gas ist die Bundesrepublik abhängig: Bei kritischen Rohstoffen droht sich das Dilemma zu wiederholen, sowohl das ifo Institut als auch die Wirtschaftsweisen schlagen Alarm.

Die Gefahr lauert diesmal im Reich der Mitte: China ist weltweiter Hauptproduzent von sieben der neun kritischen Mineralien, die für Schlüsseltechnologien wie Batterietechnik, Robotik und Erneuerbare Energien benötigt werden. Und Deutschlands Abhängigkeit ist bereits weit vorangeschritten: Fast zwei Drittel der Seltenen Erden beispielsweise, notwendig unter anderem für Akkus, Halbleiter und Elektromotoren, werden aus der Volksrepublik importiert.

Dass China solche wirtschaftlichen Abhängigkeiten gerne nutzt, um politische Eigeninteressen durchzusetzen, zeigt das Beispiel Litauen. Der baltische Staat erlaubte die Eröffnung einer taiwanischen Vertretung in der Hauptstadt Vilnius und richtete kurz darauf seinerseits eine litauische Repräsentanz in Taiwan ein – ein klarer Affront gegenüber China, das Taiwan nicht als eigenständige Inselrepublik, sondern als Teil der Volksrepublik betrachtet. Als Konsequenz stoppte China kurzerhand die Einfuhr von Produkten aus Litauen. Ähnliche Konsequenzen dürfte auch Deutschland zu erwarten haben, sollte es sich in einer geopolitischen Krise wie dem China-Taiwan-Konflikt gegen die Volksrepublik stellen.

Es stellt sich also zwingend die Frage: Was tun, um eine solche Erpressbarkeit zu vermeiden? Die Kosten-Nutzen-Abwägung einer derartigen Handelsbeziehung ist eine komplexe Gratwanderung, schließlich profitiert Deutschland enorm von der internationalen Arbeitsteilung. Protektionistische Maßnahmen wie das vollständige Einstellen des Handels mit China wären daher kontraproduktiv. Eine Reduzierung der Abhängigkeit könnte aber beispielsweise auch über eine stärkere Diversifizierung der entsprechenden Lieferketten erreicht werden, etwa mithilfe von neuen Handelsabkommen. Seltene Erden beispielsweise könnten sogar direkt aus Europa kommen, wie ein neuer Fund aus Schweden zeigt. Zudem könnte der Staat Anreize für eine höhere Lagerhaltung setzen, damit Unternehmen Lieferengpässe besser überbrücken können. Das Europäische Parlament misst zudem dem Rohstoff-Recycling eine hohe Bedeutung bei.

Eine enge außenwirtschaftliche Verflechtung bleibt also weiterhin ein wichtiger Erfolgsfaktor des deutschen Wirtschaftsmodells. Nichtsdestotrotz muss Deutschland aus den Folgen der damit einhergehenden Abhängigkeiten lernen und diese reduzieren, etwa durch die Diversifizierung der Lieferketten, verbesserte Lagerhaltung und ein effizienteres Rohstoff-Recycling. Damit sich das Dilemma der Gasknappheit nicht wiederholt, darf nicht wieder gezögert werden, bis es zu spät ist. Stattdessen muss die Politik jetzt handeln und alternative Bezugsquellen umgehend in die Wege leiten.

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