Corona – Krise für den Ordoliberalismus?

Ludwigs Erhards wirtschaftspolitische Überzeugungen fußen auf den Theorien des Ordoliberalismus. Dem Vater der Sozialen Marktwirtschaft ging es um eine Synthese von persönlicher Freiheit und sozialer Sicherheit. In der aktuellen Corona-Pandemie scheinen viele ordnungspolitische Grundsätze nur noch wenig zu zählen. Könnte ein moderner Ludwig Erhard auch Corona-Krise?

Ludwig Erhards Credo lautete: „Je freier die Wirtschaft, umso sozialer ist sie auch.“ Er wollte einen starken Staat, der dem ökonomischen Wettbewerb klare Spielregeln vorgibt, über deren Einhaltung wacht und den Einfluss von Kartellen und Interessengruppen beschneiden kann. Damit ist die Erhaltung und Sicherung eines freien Wettbewerbsmarkts die wichtigste wirtschaftspolitische Aufgabe des Staates. Jedoch soll der Staat nicht selbst zum Akteur im Markt werden, sondern vielmehr als Schiedsrichter vom wirtschaftspolitischen Spielfeldrand aus agieren. 

In der Realität des momentanen Pandemienotstandes wirkt diese klassische Ordnungspolitik zunächst überholt. Denn mit Unternehmensrettungen und der Verlängerung der Kurzarbeit wurde der Schiedsrichter selbst zum aktiven ökonomischen Mitspieler. Auf diese neue Situation brauchen Ordoliberale zeitgemäße Antworten. Und tatsächlich haben sie einige gute Argumente auf ihrer Seite, die sicherlich auch Ludwig Erhard vorgebracht hätte. 

Gerade weil die Bundesregierung in den vergangenen Jahren Schulden abgebaut hatte, konnte sie in der Coronakrise umso entschlossener den Konjunktureinbruch abfedern. Für die schuldenfinanzierten Staatsausgaben, etwa zu Gunsten der Lufthansa oder von TUI, muss es dennoch eine klare und verbindliche Ausstiegsstrategie geben. Sonst besteht die reale Gefahr, dass Unternehmen die staatlichen Investitionen als neuen, für den Staat immens teuren, Normalzustand einpreisen. 

Generell entsteht in Zeiten wie diesen die Versuchung, künftig mit immer mehr Schulden und Interventionismus in den Markt einzugreifen. Deswegen sollten Ordoliberale kritisch hinterfragen, ob die Corona-Hilfen für Unternehmen tatsächlich produktiv sind und das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft langfristig steigern können. Viele staatliche Investitionen der Vergangenheit waren tendenziell unproduktiv und es spricht nichts dafür, dass dies zukünftig anders sein könnte.

Darüber hinaus lag Ludwig Erhard ein wichtiges Detail am Herzen: Wenn überhaupt es stützende Eingriffe geben soll, dann müssen diese erst verdient werden und dürfen Staat sowie Steuerzahler nicht übermäßig belasten. Das Erwirtschaften müsse stets vor dem Verteilen kommen. Dabei wird die benötigte Wertschöpfung bei den Unternehmen, und eben gerade nicht beim Staat, erzielt. Folglich sollten überholte Strukturen oder unprofitable Geschäftsmodelle trotz der momentanen Lage nicht erhalten werden, etwa durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, da durch derartige Maßnahmen in der Pandemie lediglich Innovationen verschleppt werden. Langfristig werden wir uns nicht aus der Krise heraussparen können, wir müssen stattdessen die wirtschaftlichen Wachstumskräfte stärken. 

Die aktuelle Notsituation wird somit auch zu einer neuen Chance für Ludwig Erhards wirtschaftspolitisches Erbe und den Ordoliberalismus. Die aktuelle Rettungspolitik kann nur deshalb umgesetzt werden, weil die Soziale Marktwirtschaft in der Vergangenheit funktionierte und dabei Profite, Wertschöpfung und Steuereinnahmen realisierte. Diese Gewinnerzielung ist notwendig, um Investitionen in beides, Innovationen und Soziales, tätigen zu können. Die Idee der Sozialen Marktwirtschaft ist dabei aktueller denn je. Leere Supermarktregale als Folge von Hamsterkäufen und verzögerten Lieferketten erinnerten an die Schattenseiten anderer Wirtschaftsmodelle und an Zustände der planwirtschaftlich organisierten DDR. Die Marktwirtschaft ermöglicht durch den freien Wettbewerb eine ausreichende Versorgung mit verschiedenen Gütern und Dienstleistungen. Ausverkauft waren Klopapier und Schnelltests während der Pandemie nur kurz – findige Produzenten und Händler füllten die Lücken in den Regalen binnen kürzester Zeit. Unsere Marktwirtschaft beweist damit gerade jetzt auch ihre Leistungs- und Anpassungsfähigkeit. Auch die relativ schnelle Verfügbarkeit von Impfstoffen ist eine Folge von Wettbewerb und Innovation. 

Der Markt allein schafft allerdings keine Solidarität, dass wusste Erhard. Wohlstand für alle ist nur möglich, wenn eine Gesellschaft solidarisch ist und soziale Werte als verbindlich gelten. Eine starkes Deutschland braucht eine soziale Marktwirtschaft. Gerade für die Verlierer der Pandemie muss das Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft erneuert werden. Auch Corona-Nothilfen sind vor allem dann sinnvoll, wenn sie in einem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen stattfinden. Dabei gilt weiterhin der ordoliberale Grundsatz: Der Staat ist nur als Schiedsrichter wirklich stark. Als wirtschaftlicher Akteur taugt er allenfalls für die Ersatzbank. 


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