Wissen, was vor Ort passiert: Rettet den Lokaljournalismus

Der Lokaljournalismus in Deutschland geht ein. Für unsere Demokratie ist er zu wichtig, um das zuzulassen.

Guter Journalismus kostet Geld. Diese Binsenweisheit gilt für die Berichterstattung aus dem Bundestag wie aus dem Ortschaftsrat. Ein Abonnement der einzigen täglichen Zeitung im Freiburger Raum, der Badischen Zeitung, kostet derzeit 42,90 Euro monatlich. 

Abo-Preise um die 40 Euro sind inzwischen die Norm für Lokalzeitungen. Die stark gestiegenen Preise machen Lokalzeitungen für immer mehr Menschen unattraktiv und überregionale Nachrichten sind sowieso überall kostenlos im Internet zu finden. Als Folge sinken die Verkaufszahlen. Das alte Geschäftsmodell, das aus rund einem Drittel Einnahmen durch den eigentlichen Verkauf der Zeitung und zu zwei Dritteln aus Anzeigenverkäufen bestand, ist zusammengebrochen. In vielen Gemeinden Deutschlands gibt es überhaupt keine lokale Berichterstattung mehr. Wo es sie noch gibt, haben meist einzelne Blätter Monopole, werden Redaktionen zusammengelegt und es fehlt aufgrund der wirtschaftlichen und inhaltlichen Abhängigkeit die notwendige Distanz zur lokalen Wirtschaft als Anzeigenkunden und der Kommunalpolitik als zentralem Objekt der Berichterstattung.

Lokaljournalismus bleibt dennoch essentiell. Das Zeitungssterben bedroht auf erhebliche Weise die Möglichkeit aller Menschen, sich umfassend über politische und gesellschaftliche Vorgänge in ihren Gemeinden und Kommunen zu informieren. Eine freie und kritische Berichterstattung ist für das Funktionieren einer Demokratie nicht optional, sondern zwingend notwendig. Auch für Menschen, die nicht bereits sind, 500 Euro im Jahr dafür auszugeben, muss eine aktuelle kommunale Berichterstattung zur Verfügung stehen. Um das zu ermöglichen, und dennoch die Unabhängigkeit des Journalismus auf der lokalen Ebene zu gewährleisten, wären Hilfen aus Bundesmitteln ein wichtiger Schritt.

Die hierfür notwendigen Mittel könnten direkt über eine Reduzierung einer bestehenden und vielgescholtenen öffentlichen Medienförderung entstehen: einer Senkung des Rundfunkbeitrags. Acht Milliarden Euro stehen dadurch jährlich für die Finanzierung der Landesmedienanstalten, des Deutschlandradios, des ZDF und der ARD bereit. Statt für Tatort, Traumschiff und Musikantenstadl sollten einige dieser Mittel eingesetzt werden, um journalistische Initiativen auf kommunaler Ebene zu unterstützen. Eine Aufteilung des Beitrags in einen Teil Rundfunkförderung und einen Teil kommunale Medienförderung würden die eigentliche Zielsetzung des Rundfunkvertrags wieder in den Mittelpunkt rücken:: „die Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung“.

Oftmals fehlt es vor Ort nicht an motivierten Journalistinnen und Journalisten. Auch fehlt es nicht an einer auskunftsfreudigen Kommunalpolitik, an kommunalen Themen für die Berichterstattung oder an Menschen, die prinzipiell ein Interesse an kommunalen Themen haben. Es fehlt lediglich an Menschen, die bereit sind, für diese Berichterstattung 40 Euro im Monat zu bezahlen. Indem die Mittel des Rundfunkbeitrags eine Grundfinanzierung sicherstellen, wird die Möglichkeit geschaffen, all diese sich überschneidenden Interessen zusammenzubringen.

Über die teilweise Finanzierung durch öffentliche Mittel sollen keine staatlichen Nachrichtenhäuser entstehen. Vielmehr müssen private Initiativen gefördert werden, deren wirtschaftliches Geschäftsmodell über die klassischen Kanäle derzeit nicht gesichert ist. Das gilt sowohl für noch bestehende lokale Zeitungen und Online-Plattformen, die durch Zuschüsse den Preis für ihr Angebot bezahlbar halten können, wie auch für neue Anbieter, denen nun eine Gründungshilfe für moderne und auf kommunale Berichterstattung ausgelegte Formate zur Verfügung gestellt wird. Die Finanzierung über ein bundesweites Instrument verhindert eine Einflussnahme der betroffenen Kommunalpolitik auf redaktionelle Inhalte. Da die direkte Abhängigkeit von lokalen Unternehmen und Organisationen als Werbetreibenden reduziert wird, ist eine freiere und kritischere Berichterstattung auch über die lokale Wirtschaft möglich. Damit eine solche Reform umgesetzt werden kann, muss bundesweit ein stärkeres Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass lokale Berichterstattung eine zentrale Rolle für eine funktionierende Demokratie einnimmt. Kommunalpolitik betrifft die Menschen so unmittelbar wie keine andere. Machen wir es möglich, dass sie weiterhin wissen, was dort passiert.


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