Jobfresser Digitalisierung: Mehr Segen als Fluch

Der Wandel der Arbeitswelt hin zur Industrie 4.0 wird Millionen Arbeitsplätze kosten. Für unsere Gesellschaft ist das aber kein Verlust, sondern die einmalige Chance, den Wert der Arbeit neu zu erfassen und Arbeit und Einkommen in weiten Teilen der Gesellschaft zu entkoppeln.

Über eine halbe Million Menschen sitzen in LKWs, transportieren Waren und verdienen so ihr Geld. Diese Lebensgrundlage wird allerdings durch eine neue Innovation in Frage gestellt:  autonom fahrende LKWs. Deren offizielle Zulassung für den Betrieb auf Deutschlands Straßen ist keine Frage des Ob, sondern des Wann. Kommt sie, werden autonome LKWs Berufskraftfahrer und -fahrerinnen über kurz oder lang überflüssig gemacht.

Wie ihnen wird es vielen anderen Berufen gehen, die aufgrund der Digitalisierung und der globalen Konsolidierung von Lieferketten nicht mehr benötigt werden. Lageristinnen, Industriearbeiter, Verwaltungsangestellte, Chirurginnen, Supermarktkassierer… Die Liste an Berufen, die durch die digitalisierte Arbeit teilweise oder gänzlich überflüssig werden könnten, ist lang und die Sorge vor dem Verschwinden ganzer Arbeitsbereiche ist groß. Man müsste daher die Berufe gegen den Fortschritt isolieren oder die Menschen entsprechend schnell umschulen. Dabei ist Arbeit nicht nur wesentlicher Grundbaustein unserer Wirtschaftsleistung, sondern auch Selbstzweck, neben Broterwerb auch Sinnerwerb.

In der Praxis sieht es für viele jedoch anders aus. Arbeit ist für sie einzig die Grundlage zum Überleben innerhalb einer Leistungsgesellschaft, deren Leistungsbegriff rein monetär definiert ist und nach wie vor stärker vom sozioökonomischen Hintergrund einer Person abhängt als alles andere. Es ist schwer hinnehmbar, dass die Lebensqualität eines Menschen abhängig von der Fähigkeit und Bereitschaft ist, 12-Stunden-Schichten ohne Pause in Versandlagern zu absolvieren oder tagein, tagaus unter Videoüberwachung und begleitet vom millionenfach gleichen „Piep“-Ton, Waren über eine Supermarktkasse zu ziehen. Das Wegfallen einiger Berufe, die mehr Broterwerb als Selbstverwirklichung sind, ist daher eher eine Chance als eine Bedrohung.

Natürlich werden durch die Digitalisierung auch neue Jobs entstehen. Es ist zwar richtig, dass verstärkt in Bildung investiert werden muss, um den Menschen die Fähigkeit zu geben, sich an neue Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt anzupassen. Jedoch könnte es insbesondere für einige Menschen mittleren und gehobeneren Alters schwierig werden, sich nach jahrelanger Ausübung ihres Berufs in die digitalisierte Berufswelt einzufinden. Neue Jobs oder in Zukunft verstärkt nachgefragte Berufe wie Software- und Anwendungsentwickler oder Social Media Manager erfordern Fachkenntnisse, die nicht einfach durch ein paar Einheiten im Rahmen eines Umschulungskurses erlernt werden können.

Die Wertschöpfung wird in Zukunft immer weniger von menschlicher Arbeit abhängen. Daher haben heutzutage immer mehr Menschen Angst davor, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Dem kann nur begegnet werden, indem die finanzielle Absicherung eines Menschen nicht mehr nur von der Lohnarbeit abhängig ist. Die Möglichkeit zu einer würdigen, individuellen Existenz muss also ein Stück weit von der Notwendigkeit der Erwerbsarbeit entkoppelt werden. Eine Lösung ist dafür bereits erdacht: das bedingungslose Grundeinkommen. Nur bei ausreichender finanzieller Absicherung wird es allen Menschen ermöglicht, erfüllenden Tätigkeiten nachzugehen, unabhängig vom Zwang zur bezahlten Beschäftigung.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser radikal neue Gedanke bald eine entsprechende politische Lobby bekommt. Denn nur er garantiert, dass eine würdige Existenz für jeden Menschen gesichert ist, auch wenn 40-Tonner bald ohne ihn über die Autobahn rollen.


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