Erbschaftssteuerreform: Diesmal aber verfassungsgemäß!

In Deutschland scheint es wieder einmal nicht zu gelingen, die Erbschaftsteuer verfassungsrechtlich korrekt und ökonomisch sinnvoll zu reformieren. Dabei ist eine solche Reform kein Hexenwerk – man muss es nur wollen.

Das deutsche Erbschaftsteuergesetz ist verfassungswidrig. Bis zum 1. Juli dieses Jahres hätte der Gesetzgeber eine verfassungsgemäße Neuregelung beschließen müssen. So lautete zumindest ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014. Menschen mit kleinem Vermögen werden in Deutschland steuerlich schlechter gestellt als Erben aus reichen Unternehmerfamilien. Durch die Vergünstigungen für wohlhabende Unternehmerdynastien wird, wie es im höchstrichterlichen Wortlaut heißt, „eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt“.

Damit verstößt die Erbschaftsteuer in ihrer jetzigen Form gegen den zentralen Grundsatz, nach dem in Deutschland ein jeder seine Steuern zu zahlen hat: das Prinzip der Leistungsfähigkeit. Dieses fußt auf Artikel 3 des Grundgesetzes und definiert, was eine gerechte Besteuerung ausmacht: Wer gleich viel leistet kann, wird gleich stark besteuert; wer mehr leisten kann, wird stärker besteuert. Die Logik der verfassungswidrigen Erbschaftsteuer dreht diese Prinzip allerdings um: Wer viel leisten kann, wird nahezu gar nicht besteuert – oder konkreter: Unternehmen können steuerfrei an die nächste Generation vererbt werden.

Mit unserem Verständnis von Gerechtigkeit und Chancengleichheit sind Vorteilsregelungen dieser Art schwerlich vereinbar. Erben aus reichen Familien profitieren von vielerlei Privilegien des Elternhauses: Beziehungsnetzwerke, intellektuelles Umfeld und außerschulische Bildung, beispielsweise in Kunst oder Musik. Kinder von finanzschwächeren Eltern müssen fast immer in Ausbildung und Beruf deutlich mehr für ihren Erfolg leisten, um Gleiches zu erreichen. Ein fairer Wettbewerb der klügsten Köpfe kommt so nicht zustande. Das kann auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive nicht gewollt sein, denn Innovation wird im Wettbewerb geboren, nicht durch eine Verfestigung der Einkommens- und Vermögenspositionen über Generationen hinweg. Unternehmenserben sind nicht zwingend die beste Wahl für die Nachfolge ihrer Unternehmermütter und -väter, sodass es häufig besser wäre, sie müssten das geerbte Unternehmen wegen der Steuerlast an fähige Manager verkaufen.

Das Argument der neuen Unternehmergeneration, dass ihr die Erbschaftsteuer den Spielraum für notwendige Investitionen nimmt, bleibt natürlich ernst zu nehmen. Nicht nur Unternehmer sehen hierin eine Gefahr für ihren Betrieb, sondern auch Politiker für den Erhalt der damit verbundenen Arbeitsplätze. Trotzdem erklären solche Bedenken nicht, warum Firmenerben keine Steuern zahlen sollten. Berücksichtigt man, dass den Unternehmenserben neben dem Betrieb auch weiteres privates Vermögen zugeht, aus dem die Steuer gezahlt werden kann, beträgt die effektive Steuerlast im Durchschnitt zwei Prozent des Betriebsvermögens. Deshalb sieht der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums eine Bedrohung der Unternehmen als „sehr unwahrscheinlich“ an. Ebenso wenig müssen Politiker vor einer gravierenden Steuerflucht und schrumpfenden Einnahmen für die öffentlichen Haushalte Angst haben. Nach aktuellen Untersuchungen reagiert nur ein sehr kleiner Teil der Erben mit der Abwanderung ins Ausland auf höhere Erbschaftsteuern. Eher werden ausländische Firmen durch die komplexen Verschonungsregeln im Gesetz abgeschreckt, überhaupt nach Deutschland zu kommen.

Der Beirat des Bundesfinanzministeriums empfahl schon vor vier Jahren, die Verschonungsregeln abzuschaffen. Die Ökonomen schlugen damals einen Steuersatz in Höhe von 12,5 Prozent vor – eine „Flat tax“ ohne „problematische Ausnahmen“. Bei dieser Regelung würde der Entzug liquider Mittel aus den Unternehmen zum Begleichen der Steuerschuld entschärft werden und auch die Politiker müssten nicht auf Steuereinnahmen verzichten. Dass die Reform der Erbschaftsteuer nun auf Betreiben der Grünen in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat überwiesen wurde, lässt hoffen, denn die Oppositionspartei setzt sich für ein Flat-tax-Konzept ein. Mit der Möglichkeit für Unternehmenserben, ihre Steuern zu stunden, sind die Grünen sogar auf einer Linie mit der wirtschaftsliberalen Stiftung Marktwirtschaft. Wenn es auch die Regierungsparteien schaffen, die Gutachten ihrer eigenen Experten zu akzeptieren, wäre wohl lediglich noch über ein paar Prozentpunkte bei der Höhe des Steuersatzes zu streiten. Dann würde endlich gerecht besteuert – und das auch noch verfassungsgemäß.

 


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