Collect it, check it, use it: Datennutzung heute und morgen

In der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft ist das Sammeln und Nutzen personenbezogener Daten ein immer aktueller werdendes Thema, das sowohl Datenschützer als auch oberste Organe des Bundes beschäftigt. Die derzeit vorherrschende Haltung ist geprägt von Misstrauen und Angst; man spricht von einem Angriff auf die Privatsphäre des Einzelnen. Doch gibt es in Wahrheit nicht auch schlagkräftige Argumente, die für einen offeneren Umgang mit personenbezogenen Daten und somit für eine diesbezüglich vollkommene Transparenz sprechen?

In einer Zeit, in der sich die digitale Welt nach und nach der realen Welt annähert und immer mehr Einfluss auf unser Leben nimmt, werden wir zwangsläufig an einen Punkt kommen, an dem wir uns für die aktive Veröffentlichung unserer persönlichen Daten werden entscheiden müssen. Bereits jetzt geben Nutzer sozialer Netzwerke wie z.B. Facebook und WhatsApp nicht nur eigene, sondern, motiviert durch gesellschaftliche Zwänge, auch Informationen über ihre Online-Kontakte frei – es tut ja schließlich jeder. Hierdurch steigen Nutzen und Wert des Netzwerks für den jeweiligen Nutzer, aber auch für das Netzwerk selbst. Vor diesem Hintergrund könnte man sich unsere heutige Gesellschaft durchaus als ein Netzwerk vorstellen, das sich der digitalen Medien bedient und vom technischen Fortschritt profitiert. Gespeicherte Daten können dank neuer technologischer Möglichkeiten heutzutage besser als jemals zuvor ausgewertet und verarbeitet werden.

Mit Hilfe erfasster und ausgewerteter Daten eines Einzelnen wird von Unternehmen ein Kundenprofil erstellt und das Kaufverhalten analysiert, sodass letztendlich das Marketing individuell auf die jeweilige Person zugeschnitten werden kann. Bereits angewandt wird dieses Marketingsystem unter anderem durch den Onlinehändler Amazon: Über die Suchleiste kann ein Onlinekunde das gewünschte Produkt eingeben. Er gibt hier eine persönliche Information frei, nämlich seinen Bedarf an einem bestimmten Produkt. Auf Basis dieser Information werden dem Kunden weitere Produkte vorgeschlagen, die ihn vielleicht interessieren könnten. Anhand der Kaufhistorie und des Suchverhaltens sowie durch den Vergleich mit dem Kaufverhalten anderer Kunden kann Amazon die Präferenzen des Nutzers abschätzen und seinen nächsten Einkauf in etwa prognostizieren.

Erweitert und somit für einen Kunden noch nützlicher werden könnte dieses System, wenn weitere persönliche Daten des gesamten Kundenstamms zur Verfügung stehen würden. Hierzu zählen Informationen über die Persönlichkeit, das Einkommen sowie bestimmte Charaktereigenschaften der Kunden. Insbesondere die Persönlichkeit des Kunden wäre hinsichtlich der Prognose des Kaufverhaltens von Interesse. Es gibt seit langem Persönlichkeitsanalyseverfahren wie das Fünf-Faktoren-Modell (auch „Big Five“ genannt) der Psychologen Louis Leon ThurstoneGordon Allport und Henry Sebastian Odbert, über die sich Menschen bzw. Kunden entsprechend einordnen lassen. In dem genannten Verfahren werden die Menschen über fünf Persönlichkeitsmerkmale kategorisiert, nach denen das Kaufverhalten zugeordnet wird. Diese Merkmale lassen sich mit denen anderer Kunden vergleichen. Sind Übereinstimmungen vorhanden, ist davon auszugehen, dass sich das jeweilige Kaufverhalten ähnelt. Der Vorteil für den Kunden ist hierbei in der Ersparnis der Suchkosten zu sehen, denn der zeitliche Aufwand, ein von ihm präferiertes Produkt zu finden, sinkt. Das Unternehmen spart sich wiederum Werbekosten. Somit haben wir eine Win-Win-Situation. Natürlich muss hierbei auch auf Unternehmensseite Transparenz geschaffen werden, um die Kunden vor dem Missbrauch der personenbezogenen Daten zu schützen. Darüber hinaus wird eine Erweiterung der Gesetzgebung im Bereich Datenschutz erforderlich sein, um die Manipulation von privaten Personendaten zu verhindern.

In einem Interview mit Zeit online hat Stephen Wolfram, Erfinder von Wolfram Alpha, einem Online-Dienst zum Auffinden und Darstellen von Informationen, zutreffend erläutert, dass die Informationstransparenz auch im Gesundheitswesen von großer Bedeutung ist. Ein gesünderes und sogar sichereres Leben wäre durch die stetige Datenerfassung und Auswertung der Vitalwerte und der Lebensgewohnheiten möglich. Einige Gesundheitsdaten von gesetzlich Krankenversicherten werden bereits in naher Zukunft auf der Gesundheitskarte gespeichert. Patienten müssen beim Besuch einer Arztpraxis oder im Krankenhaus ihre Gesundheitskarte vorzeigen. Auf dem Chip der Versichertenkarte können dann persönliche Daten gespeichert werden, die dem behandelnden Arzt Auskunft über Notfalldaten, schwere Krankheiten oder die letzten ausgestellten Rezepte der Patienten geben. Es ist denkbar, dass beispielsweise ein Smartphone die Versichertenkarte mit primär gewonnenen Daten, z.B. über regelmäßige sportliche Aktivität, ergänzt und dem Arzt Informationen über den jeweiligen aktuellen Gesundheitszustand des Patienten gibt.

Diesem Trend folgt auch die Gesundheits- und Schönheitsindustrie. Durch den beschleunigten Lebensalltag ist eine gesunde und bewusste Lebensweise zunehmend in den Fokus gerückt. Gesundheit, Schönheit, der eigene Körper, all das ist zum Statussymbol der heutigen Gesellschaft geworden. Die Erfassung des individuellen Gesundheitszustandes mit dem Ziel, diesen stetig zu verbessern, erfolgt immer häufiger mithilfe der modernen Technologie von Smartphones. Diese Systeme befinden sich zwar noch in der Anfangsphase, doch sind auch jetzt schon viele Informationen verfügbar. So ist im neuesten iPhone 6 die App „Health“ vorinstalliert, mit der jeden Tag Bewegungsdaten des Nutzers aufgezeichnet werden. Durch den Kauf und die Nutzung von zusätzlichen Hilfsmitteln wie z.B. von Fitness-Trackern wird dem Nutzer ermöglicht, weitere Daten über sein Verhalten zu sammeln. Fitness-Tracker werden als Accessoires am Handgelenk getragen und sammeln aktuelle Daten zu Bewegung und Ernährung des Nutzers. Über diverse Apps am Smartphone oder Heimcomputer lassen sich die Daten einsehen und auswerten. Es gibt auch Geräte wie den Dexcom Sensor G4CGM, welcher u.a. über die Apple Watch den Blutzuckerspiegel messen kann – ganz ohne Nadel mit einem Chip unter der Haut.

Bald könnte es auch möglich sein, sich direkt mit seinem Arzt zu vernetzen. Dieser bekäme die Möglichkeit, die Daten seiner Patienten direkt abzurufen und entsprechende Therapieanweisungen an deren Smartphones zu verschicken. Der beschleunigte Austausch von Daten hätte einen hohen Wert für das alltägliche Leben und die Gesundheitsversorgung. Mögliche Gesundheitsprobleme und -risiken würden schneller erkannt und könnten besser behandelt werden. Ein Herzinfarkt könnte dank des eigenen Smartphones überlebt werden, weil er durch das Zusammenspiel verschiedener Gesundheitsapps automatisch identifiziert werden könnte! Das Smartphone würde in einem solchen Notfall einen Alarm auslösen, der Notarzt wäre durch Ortung schneller vor Ort und hätte sich bereits im Rettungswagen Zugriff über die erfassten Gesundheitsdaten verschafft, so dass er unmittelbar bei der Ankunft wüsste, was zu tun ist.

Sicherlich wäre es für viele Menschen eine Motivation, ein gesünderes Leben zu führen, wenn eine gesunde Lebensweise bei der Krankenkasse belohnt werden würde. Die Generali Versicherung hat Ende 2014 den ersten Schritt gewagt und angekündigt, ihren Mitgliedern bald vergünstigte Mitgliedsbeiträge im Austausch für ihre Fitnessdaten anzubieten. An diesem Modell kommt jedoch zunehmend Kritik auf, da Versicherungen die Gesundheitsdaten nutzen, um Mitgliederbeiträge der Versicherungsnehmer individuell zu gestalten. Auch hier ist es wichtig, dass Gesetze entworfen werden, die sicherstellen, dass Menschen mit nicht selbstverschuldeten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht durch höhere Beiträge benachteiligen werden. Versicherte, die jedoch ihre Gesundheit selbstverschuldet negativ beeinflussen, beispielsweise durch Rauchen oder exzessiven Alkoholkonsum, könnten hingegen durch höhere Beitragssätze bestraft werden. Der erzieherische Effekt könnte hierbei zu einer positiven Entwicklung der Gesellschaft führen. Die Menschen würden länger gesund leben und wären wahrscheinlich bis zu einem hohen Alter arbeitsfähig. Dies hätte einen positiven Einfluss auf die Gesamtwohlfahrt.

Insgesamt können die Menschen mit vielen verschiedenen Vorteilen rechnen, wenn sie ihre Daten preisgeben, statt ihre Energie und Zeit damit zu verschwenden, die Daten geheim halten zu wollen. Natürlich muss hierbei jederzeit gewährleistet sein, dass eine Manipulation der Daten und auch der Person ausgeschlossen ist. Die Offenlegung des jeweiligen Verwendungszwecks und eigene uneingeschränkte Zugriffsrechte haben hierbei oberste Priorität und erfordern – wie bereits erwähnt – gesetzliche Veränderungen.

Die Bürger sollten sich also verstärkt dafür einsetzen, im Gegenzug für die Freigabe ihrer persönlichen Daten mehr Informationen von den Unternehmen und dem Staat über die jeweilige Verwendung zu erhalten. Wenn sie Informationen preisgeben, sollten sie auch wissen, wer diese Daten bekommt, was mit ihnen passiert und wie sie eingesetzt werden. Eine totale Transparenz hinsichtlich der Verwendung der Daten selbst sowie eine umfassende Kontrollierbarkeit, auch durch jeden einzelnen Nutzer selbst, müssen auf beiden Seiten gegeben sein. Es ist jedoch letztlich Aufgabe der Politik, entsprechende Gesetze und Maßnahmen gegen den Missbrauch der persönlichen Daten zu manipulativen Zwecken zu erlassen.

Vielen Menschen dürfte nicht bewusst sein, wie viele Daten sie im Alltag bereits von sich preisgeben. Ebenfalls ist nicht klar, wie viele dieser Daten bereits gesammelt wurden. Durch die Verbreitung des Smartphones ist die totale Überwachung zu einem Kinderspiel geworden. Um dieser Datensammelwut einen positiven Aspekt abzugewinnen, ist ein Umdenken erforderlich: die Weitergabe sollte legalisiert werden. Mit Gesetzen, die den Verwendungszweck der Daten bestimmen und eine zweckgemäße Verwendung garantieren, könnte Vertrauen zwischen Datengebern und Datennehmern generiert und damit freiwillige Kooperationen ermöglicht werden. Dies wiederum hätte eine erhebliche Erhöhung der Wohlfahrt zur Folge. Seine Privatsphäre fast vollständig aufzugeben, ist eine Idee, vor der viele Angst haben und gerne die Augen verschließen würden. Doch die Datenerfassung ist real und wird in den kommenden Jahren nur noch weiter zunehmen. Neu ist nicht unbedingt schlecht, sondern anders. Ein Ausstieg aus dieser neuen Situation ist kaum noch möglich, da die Kosten hierfür außerordentlich hoch sind. Der Preis, den man für einen Ausstieg zahlen müsste, wäre unter anderem die soziale Isolation, weil nur noch wenige Menschen auf nicht-digitale Art und Weise kommunizieren. Desweiteren gäbe es Benachteiligungen in vielen Berufen und in weiteren wichtigen Lebensbereichen, da die Technik im alltäglichen Leben jederzeit präsent ist, uns vieles erleichtert und immer mehr genutzt wird. Wenn dieser Trend anhält, könnten wir nicht nur bald alles über jeden wissen, vielmehr würde es zur gesellschaftlichen Normalität werden, dass jeder alles über jeden weiß. Das bringt neue Vorteile und ein Umbruch zu einer ehrlicheren Gesellschaft sowie einem effizienteren und einfacheren Leben mit sich.

Kommentare

0 Antworten zu „Collect it, check it, use it: Datennutzung heute und morgen“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert