Das Smartphone als Geldbörse: Noch geht die Rechnung nicht auf

Schnellere und einfachere Bezahlvorgänge: das ist das Versprechen mobiler Bezahlsysteme wie Apple Pay. Die Einführung digitaler Geldbörsen bringt neben unbestreitbaren Vorteilen jedoch auch viele Risiken und Unsicherheiten mit sich.

Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher mobiler Zahlungssysteme, deren Funktionsweise sich weitgehend gleicht: Auf einem Chip im eigenen Smartphone sind alle Zahlungsinformationen gespeichert, die an der Kasse benötigt werden. Dort wird das Smartphone auf einem Bezahlterminal platziert, die Daten werden übertragen und zuletzt schließt eine – als besondere Sicherheitsmaßnahme angepriesene – Identifikation mit dem Fingerabdruck die Zahlung ab.

Insbesondere im Bereich der „micro payments“, also beim Bezahlen kleiner und kleinster Geldbeträge, erhofft man sich durch diese Technologie große Erleichterungen. Da die Unterschrift und Pin-Eingabe entfallen, können im gleichen Zeitraum deutlich mehr Kunden bedient werden. Für die Unternehmen könnte eine umfassende Einführung mobiler Bezahlsysteme weitere große Vorteile mit sich bringen: Falls die Konsumenten die neue Zahlungsmöglichkeit regelmäßig und intensiv nutzen, erhalten die Firmen wertvolle Kundendaten. Mithilfe der gewonnenen Informationen können Einkaufsprofile erstellt und personalisierte Angebote unterbreitet werden. Insofern kann eine Einführung mobiler Bezahlsysteme zu einer Transaktionskostensenkung in Form von Zeit- und Kostenersparnissen führen. Für die Konsumenten verringern sich die Kosten, die bei der Produktsuche anfallen; für die Unternehmen reduzieren sich die Ausgaben für Werbung und Kundengewinnung.

Jedoch vernachlässigen die Anbieter vor lauter Freude über die Vorteile digitaler Geldbörsen den wichtigsten Faktor in ihrer Rechnung: den Verbraucher. Laut einer Studie der Bundesbank sind EC-Karten und Bargeld nicht nur weiterhin die beliebtesten Zahlungsmittel der Deutschen, sondern sie erzeugen auch eine hohe Zufriedenheit. Dementsprechend wird der Verbraucher kaum Bereitschaft zeigen, auf mobile Bezahlsysteme umzusteigen. Der entstehende Mehrwert ist sehr klein, die Wechselkosten sind es dagegen aus Sicht der Kunden nicht. Ein Erfolg der neuen Systeme ist damit von Vornherein mehr als fraglich. Um ein Scheitern zu verhindern, müsste für die Verbraucher ein Zusatznutzen, beispielsweise über personalisierte Angebote, Treuepunkte, Rabattaktionen oder einen deutlichen Preisvorteil, geschaffen werden.

“It’s sort of that ‘ahh’ moment. You use the phone and that’s all you have to do.”
(Tim Cook, CEO Apple)

Dem erhofften Erfolg steht ein weiterer wichtiger Aspekt entgegen: Durch die Nutzung mobiler Bezahlsysteme geben Kunden die direkte Kontrolle über ihre Zahlungsinformationen auf. Dieser Kontrollverlust müsste durch hohe Datenschutzstandards kompensiert werden; allerdings bestehen hieran berechtigte Zweifel.

Gemäß dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann jeder Bürger selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten entscheiden. Je mehr Transaktionsdaten übertragen werden, desto lohnenswerter wird es beispielsweise für Kriminelle, diese abzufangen und gewinnbringend auszunutzen. Durch Identitätsdiebstahl wird es möglich, sämtliche gespeicherten Informationen durch einen legalen Zugriff auf die Datenbank abzugreifen. Trotz aller Sicherheitsversprechen seitens Apple ist es dem Chaos Computer Club innerhalb kürzester Zeit gelungen, den Fingerabdruckscan des iPhones zu überlisten. Das macht deutlich, dass die bestehenden Sicherheitsmechanismen für die Nutzung mobiler Bezahlsysteme ungenügend sind.

Des Weiteren werden nach wie vor viele Kundendaten von den Datenbankbetreibern selbst weiterveräußert. Wie stark die einzelnen Betreiber in dieser rechtlichen Grauzone aktiv sind, ist für den Kunden nicht ersichtlich. Dieses Vorgehen stellt nicht nur im Hinblick auf die informationelle Selbstbestimmung ein großes Problem dar, sondern sorgt auch für Verunsicherung bei potenziellen Nutzern und damit für eine Zurückhaltung bei der Verwendung mobiler Zahlungssysteme.

,,The nice thing about standards is that you have so many to choose from.”
(Andrew S. Tanenbaum, Professor of Computer Science)

Bei der Beantwortung der Frage, ob sich mobile Bezahlsysteme erfolgreich am Markt etablieren können, spielt schließlich auch die Wettbewerbssituation eine entscheidende Rolle. Die Einführung mobiler Bezahlsysteme ist mit hohen Fixkosten verbunden. Ein Scheitern hätte somit hohe betriebswirtschaftliche Verluste zur Folge. Die Stückkosten, also die Kosten pro Bezahlvorgang, sind dagegen sehr gering, so dass mobiles Bezahlen kostengünstiger als das heutige Bezahlen mit der Kreditkarte ist. Man kann jedoch damit rechnen, dass bei einem gesunden Wettbewerb als Folge einer Einführung von mobilen Zahlungssystemen die Kreditkartenkosten gesenkt werden. Das verringert wiederrum die Wahrscheinlichkeit, dass sich mobile Bezahlsysteme durchsetzen werden. Durch die Einführung vieler unterschiedlicher Bezahlsysteme, die jeweils andere technologische Anforderungen mit sich bringen, kommt es zu einem unüberschaubaren und komplexen Angebotsdschungel, der demjenigen bei Handyverträgen ähnelt und den man auch mit einer Machete niemals freiwillig betreten würde. Zusätzlich werden all die potentiellen Kunden ausgeschlossen, die das Bezahlsystem eines Konkurrenten nutzen.

Auf den ersten Blick wirkt es kundenfreundlicher, wenn es einem Unternehmen gelingt, einen geschlossenen Standard zu setzen, der vollständige Kompatibilität gewährleistet und somit einen Ausschluss von Kunden verhindert. Im Gegensatz zu einem offenen Standard, bei dem sämtliche technische Grundlagen einer Dienstleistung für alle Marktteilnehmer frei zugänglich sein müssen, besteht jedoch bei einem geschlossenen Standard die Gefahr der Monopolisierung: Ohne die notwendigen Informationen ist die Imitation einer Dienstleistung oder eines Produktes durch andere Wettbewerber kaum möglich. Dadurch erhöht sich die Marktmacht des standardsetzenden Unternehmens.

Es stellt sich die Frage: Standard oder Innovation und Wettbewerb? Ein gesunder Wettbewerb ist nur über Innovation und Imitation sichergestellt. Aber da es sich im Fall mobiler Bezahlsysteme um eine Dienstleistung handelt, die sich idealerweise als Standard etablieren sollte, scheint ein eingeschränkter Wettbewerb unausweichlich. Weniger Wettbewerb ist allerdings stets mit hohen Effizienzverlusten verbunden, denn ein eingeschränkter Wettbewerb kommt dem Verbraucher teuer zu stehen. Das wirft die Frage auf, inwieweit regulierende Maßnahmen notwendig sind, um einen ausreichenden Wettbewerb trotz einheitlichen Standards zu sichern.

Zweifellos muss auf der Anbieterseite ein ordnungspolitischer Regelrahmen geschaffen werden, der die Gefahr der Monopolisierung durch geschlossene Standards neutralisiert und einen effizienten Wettbewerb sicherstellt. Eine Möglichkeit wäre, dass sich mehrere Unternehmen zusammenschließen und einen Industriestandard festlegen, diesen aber gleichzeitig so öffnen, dass Konkurrenz möglich ist. Dieser Standard könnte eine einheitliche Funktionsweise und geeignete Verschlüsselungskonventionen umfassen. Auf diese Weise können Bezahlsysteme unterschiedlicher Anbieter nebeneinander existieren, ohne dass ein Ausschluss von Kunden stattfindet. Diese Maßnahmen würden den Verbrauchern die Angst nehmen, von den Anbietern in eine Position gebracht zu werden, in der sie leicht ausgebeutet werden können.

Zugleich macht eine Einführung digitaler Geldbörsen nur dann Sinn, wenn zuvor die Grundlage für eine solide Nachfrage geschaffen worden ist. Neben der Sicherung des Wettbewerbs müssten daher auch die Datenschutzrechte der Verbraucher gestärkt werden. Es muss außerdem geregelt sein, wer im Falle eines Datenmissbrauchs für die entstehenden Kosten haftet. Zusätzlich müssen die Sicherheitsmechanismen für das mobile Bezahlen unabhängigen Testverfahren standhalten. Nur über das Vertrauen der Kunden in die Sicherheit mobiler Bezahlsysteme wird die notwendige Nachfrage generiert.

Es ist ersichtlich, dass auf beiden Marktseiten noch viele Fragen geklärt und einige Hindernisse überwunden werden müssen. Nur unter Berücksichtigung der angesprochenen Aspekte ist eine umfassende Einführung mobiler Bezahlsysteme erfolgsversprechend.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

0 Antworten zu „Das Smartphone als Geldbörse: Noch geht die Rechnung nicht auf“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert