Sollen die Bürger jetzt auch noch die Stromkonzerne retten?

Was soll als nächstes kommen? Banken, Stromkonzerne und morgen vielleicht auch noch die Pharmaindustrie? Der Vorschlag der Energiekonzerne, den Rückbau der Kernkraftwerke mittels eines staatlichen Fonds finanziell zu unterstützen, stößt auf Unverständnis und Kritik. Wieso sollen milliardenschwere Konzerne, wie E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Europe, die in Spitzenzeiten durch die Atomkraft bis zu vier Milliarden Euro Gewinn pro Jahr erzielten, mit Steuergeldern gefüttert werden? Der eine oder andere Steuerzahler fragt sich hier – zu Recht – was soll das? Doch was in einer ersten Welle der Entrüstung als utopischer Vorschlag abgetan wurde, wird nun ernsthaft diskutiert.

Staatlicher Fonds für Atommüll à la „Bad Bank“

Die Stromkonzerne stellen sich den Plan folgendermaßen vor: Der Staat gründet einen Fonds, wie einst für die Bankenrettung, welcher den Stromkonzernen helfen soll den Rückbau der Kernkraftwerke und die damit verbundene Entsorgung der Atomlasten finanziell zu tragen. Für die geplante Energiewende müssen alle Atomkraftwerke stillgelegt werden und die verstrahlten Reaktoren und der Nuklearmüll in ein sicheres (?) Endlager gebracht werden. Das kostet! Und bis jetzt kann noch niemand, auch nicht die Stromriesen, genau einschätzen, wie viel. Deshalb lautet ihr Vorschlag, dass sie ihre rund 36 Milliarden Euro Rückstellungen, die für den Abbau der Atomkraft geplant sind, in den Fonds einzahlen und der Rest, die noch unüberschaubaren restlichen Kosten, von der Staatskasse bereitgestellt wird. Somit soll also auch das gesamte Risiko von den Energiekonzernen auf den Staat umgewälzt werden. Problematisch an diesem Konzept ist mehreres. Die 36 Milliarden, die E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Europe bereitwillig beisteuern wollen, liegen nicht gesichert auf Bankkonten, sondern befinden sich in einem unübersichtlichen Potpourri aus Beteiligungen, Wertpapieren und Sonstigem. Das heißt, das Geld ist nicht flüssig und somit ist fraglich bis wann (und ob überhaupt) man darüber verfügen kann. Warum also sollte Deutschland sich auf eine solche Forderung einlassen, wenn noch nicht einmal klar ist, welchen Anteil die Stromkonzerne tragen können? Ist die öffentliche Aufregung gar unnötig, da ein solch absurder Vorschlag sowieso nicht mit Ernsthaftigkeit betrachtet werden kann? Abwegig – aus der Sicht der Stromriesen – ist dieser Plan nicht. Im Gegenteil! Für sie erscheint er überaus plausibel, denn sie haben einen Trumpf in der Hinterhand. Im Zuge des plötzlichen Richtungswechsels und des Beschlusses der Energiewende, hat es viele Klagen gegen die Bundesregierung und deren Vorhaben, die Atomkraft bis 2022 komplett einzustellen, von den Stromkonzernen gehagelt. Diese gestehen der Regierung nun aber zu, ihre Klagen, die sich auf  rund 15 Milliarden Euro Schadensersatz summieren, im Gegenzug für einen staatlichen Fonds zurückzuziehen und etikettieren ihre erpresserische List als „Win-Win-Situation“.

Die Entwicklung der Stromkonzerne und Fukushima

Die drei größten Stromkonzerne Deutschlands, E.ON, RWE und EnBW, sind allesamt milliardenschwere Unternehmen. Nach und nach haben diese Energieunternehmen sich dank des Beschlusses der Regierung in den Atomeinstieg und dem Atomgesetz von 1960, dank geschickter Fusionen und natürlich dank ihrem unverzichtbaren Handelsgut zu den größten Unternehmen Deutschlands entwickelt. Jahrzehntelang profitierten die Unternehmen von der oligopolistischen Wirtschaftsstruktur, weshalb sie konstant hohe Gewinne erwirtschafteten. Dadurch erlangten sie beim Staat den Status einer Gelddruckmaschine und wurden immer wieder subventioniert und verhätschelt.

Die riesigen Atomkonzerne begaben sich freiwillig und bereits mit dem Atomeinstieg in die Abhängigkeit der Regierung und fokussierten sich fast ausschließlich auf die umstrittene Kernenergie. Das rächt sich nun! Denn die Welt hat durch Fukushima erneut vor Augen geführt bekommen, dass die Atomkraft unkalkulierbare Risiken birgt. In einem Hauruck-Verfahren beschloss die damalige Regierung aus Union und FDP unter Angela Merkel wenige Monate nach der Katastrophe in Japan die Energiewende und den Atomausstieg bis zum Jahr 2022 und ließ im Zuge dessen die ältesten sieben Atomkraftwerke Deutschlands sofort abschalten. Natürlich war und ist dies ein großes Problem für die Stromkonzerne, die hohe Investitionen in die Nuklearenergie getätigt haben, und natürlich können diese nicht mit der Geschwindigkeit der Politik Schritt halten. Die plötzliche Energiewende ist für die Konzerne so nicht umsetzbar. Oder anders gesagt: einen Tanker zu wenden dauert! Aber dies verfehlt den Kern der Debatte. Denn den Energieriesen ist vorzuwerfen, dass sie immer als erstes nach der Regierung rufen, ohne inhaltlich Neues oder Innovatives beisteuern zu können. Starr fixiert auf die Atomkraft und ohne einen Alternativplan, wie es in Zukunft für sie weitergehen könnte, verlassen sie sich auf den Staat, der ihnen bis jetzt ja auch immer unter die Arme gegriffen hat. So nicht! Nun ist es an der Politik, sich den lauten Rufen von E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall Europe zu verweigern und nicht kleinbeizugeben. Die Politik muss aus ihren Fehlern lernen und sollte diese nicht erneut wiederholen, indem sie sich von der Industrie instrumentalisieren lässt. Jetzt gilt es lernfähig zu sein und nicht einzuknicken.

Eucken würde sich im Grabe umdrehen

Es ist nachvollziehbar, dass die Energiekonzerne dem Atomausstieg nicht freudig applaudieren. Und ja, es ist ihr gutes Recht Klagen gegen diesen Beschluss einzureichen. Aber ihr Vorschlag, den Atomabbau mithilfe eines Staatsfonds zu finanzieren und sich so aus der Verantwortung zu stehlen, ist getreu dem Motto: „Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren“. Doch das ist ganz und gar nicht im Sinne der Freiburger Schule! Für den berühmten Freiburger Ordnungsökonom Walter Eucken sind die entscheidenden Prinzipien einer funktionierenden Wirtschaft unter anderen das Privateigentum und die Haftung. Das heißt, dass Unternehmen Handlungsfreiheit und Eigenverantwortung tragen. Im Gegenzug aber haben sie auch die Verantwortung für die Wirkung auf Dritte und dürfen daraus resultierende Risiken und Verluste nicht auf die Allgemeinheit abwälzen. Auf die Energiekonzerne übertragen bedeutet das: Sie haben die Handlungsfreiheit sich auf Atomstrom oder erneuerbare Energien zu konzentrieren und können dadurch Gewinne machen, die ihnen zustehen. Allerdings müssen sie dann auch die Risiken und die Verluste, die entstehen können, tragen.

Die Energiekonzerne stilisieren sich zum Opfer und vergessen dabei zu erwähnen, dass sie jahrelang satte Gewinne eingefahren haben. Nun mag man einwenden, dass diese Gewinne in der Vergangenheit erzielt wurden und an der heutigen Situation nichts ändern. Nichtsdestotrotz sind E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall Europe Wirtschaftsunternehmen, die in einem vom Staat vorgegebenen Rahmen ihre Handlungsspielräume haben. Aus ordnungspolitischer Sicht hat der Staat nicht die Aufgabe sich selbst in das Spiel einzumischen; er gestaltet lediglich die Rahmenbedingungen. Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft oder die massive Unterstützungen einzelner Unternehmen sind immer mit Vorsicht zu genießen und in der Regel nicht der richtige Weg.

Fazit

„Risiken auf Staat und Steuerzahler abzuwälzen, lehne ich ab“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Den Steuerzahler beruhigt dies allerdings wenig. Und genau deshalb sollte die Kanzlerin jetzt Verantwortung übernehmen und Rückgrat zeigen. Bankenrettung? Ok, darüber lässt sich streiten. Die Situation war eine andere. Aber die Rettung riesiger Stromimperien? Nein! Es kann nicht sein, dass die Bürger den Kopf für milliardenschwere Unternehmen hinhalten müssen, zumal viele damals gegen den Atomeinstieg waren und heute immer noch gegen die Atomwirtschaft sind. Jetzt sollen ausgerechnet diese den Ausstieg bezahlen, während die Energieriesen, die jahrelang mit Nuklearkraft satte Gewinne eingefahren haben, davonkommen sollen? Dieser erpresserische Vorschlag, der unverfroren von E.ON und Co. gemacht wird, muss zum Schmelzen gebracht werden!


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