Tabu-Bruch bei der Bankenrestrukturierung in Österreich

Wie sicher sind Staatsgarantien im Insolvenzfall? Als erstes Land innerhalb der EU könnte Österreich eine Staatsgarantie verweigern. Es droht ein Vertrauensverlust für den Staat, derweil die Kosten der Bankensanierung der Hypo Alpe Adria zum Fass ohne Boden werden.

Der Fall der Hypo Alpe Adria Bank wird von Fahndern als der größte Kriminalfall Europas seit dem zweiten Weltkrieg bezeichnet. Leichtsinnige bis kriminelle Kreditvergabe auf dem Balkan, Bilanzfälschung und Insiderhandel sind nur ein Teil der Delikte, derentwegen gegen die ehemaligen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Bank ermittelt wird. Kein Wunder also, dass diese Bank in der Finanzkrise staatlich gerettet werden musste.

Seit dem Jahr 2000 wurde die Expansion der Hypo Alpe Adria durch die Vergabe von Garantien der Kärntner Landesregierung um Jörg Haider vorangetrieben. Dies führte zu einem stetigen Wachstum der Bilanzsumme von 5,4 Milliarden Euro im Jahre 2001 auf 31 Milliarden Euro in 2006. Mitte 2007 wurden dann weitere Landesgarantien der österreichischen Bundesländer für ihre Landesbanken verboten, da diese nach Ansicht der EU den Wettbewerb verzerren würden. Dennoch betragen die aktuellen Landesgarantien das Vierfache des Kärntener Jahresbudgets.

Diese Situation wäre vielleicht handhabbar gewesen, wenn nicht die Finanzkrise dazwischen gekommen wäre, die die Politik – auch aufgrund der bereits vorher hohen Verluste der Bank durch risikoreiche Kreditvergabe – zwang, ein Sanierungsprogramm auf die Beine zu stellen.

Im Rahmen dieses Sanierungsprogramms wurden 2014 unter Finanzminister Spindelegger die Kärntner Landesgarantien für Anleihen der Hypo Alpe Adria im Wert von 890 Millionen Euro nachträglich per Sondergesetz gelöscht. Da damit die Probleme nicht vollständig gelöst werden konnten, steht im Raum, dass ähnliche Maßnahmen auch für weitere Landesgarantien durchgeführt werden, was eine weitaus größere Kettenreaktion hervorrufen könnte.

Für die Löschung der Landesgarantien Kärntens per Sondergesetz blieb der Finanzminister eine schlüssige Erklärung schuldig. „Nachrang sei eben Nachrang und nicht Vorrang“, so formulierte es Herr Spindelegger in einem Interview im österreichischen Fernsehen, womit er den Anschein erwecken wollte, dass es sich um eine unbedeutende Maßnahme handele, die die wichtigsten Geldgeber nicht betreffe. Das überzeugte die betroffenen Investoren jedoch nicht. Fraglos sollten Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber bei einer Schieflage der Bank zuerst ihren Beitrag zur Sanierung oder auch zur Abwicklung leisten, bevor der Staat mit Milliarden einspringen muss. Ansonsten werden Haftung und Risiko in einer Notsituation auf den Steuerzahler umgewälzt. Aber aus Sicht der Investoren sollte dieser Fall natürlich besser nicht eintreten.

Schon kurz nach der Bekanntgabe war von Juristen- und Investorenseite erhebliche Skepsis an der Rechtmäßigkeit dieser politischen Entscheidung zu hören und viele Investoren reichten Klage vor österreichischen Gerichten ein. Das Wiener Verfassungsgericht erklärte Ende Juli 2015 das Gesetz zur Löschung der Landesgarantien für verfassungswidrig. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Löschung unverhältnismäßig sei und das Gesetz zudem gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums verstoße. Damit ist die Politik erneut vor ein Sanierungsproblem gestellt, mit nun höheren Kosten als zuvor.

Durch das langwierige Gerichtsverfahren sind erhebliche Anwaltskosten aufgelaufen und auf ausstehende Zahlungen könnten im schlimmsten Fall nun auch noch Strafzinsen fällig werden. Laut der Nachrichtenagentur Reuters kostet die juristische Niederlage die Hypo Alpe Adria geschätzte 800 Millionen Euro. Mögliche Zinseffekte aufgrund des Zahlungsverzugs sind noch nicht mit eingerechnet. Bis ins Frühjahr 2016 hat die Bank dank eines Zahlungsmoratoriums durch das österreichische Bankensanierungs- und Abwicklungsgesetz, das seit Januar in Kraft ist, noch Zeit, eine Lösung zu finden. Sollte dies nicht gelingen, werden Investoren wieder auf die Einhaltung der Landesgarantien pochen können und damit das Bundesland Kärnten in große Zahlungsschwierigkeiten bringen.

Wie ist diese Lage ökonomisch zu bewerten und welche Lösungsansätze ergeben sich? Zunächst ist festzustellen, dass ein außergerichtlicher Vergleich aus ökonomischer Sicht einer Prozesslösung vorzuziehen ist, da er geringere Kosten für die Gesellschaft verursacht. Auch mit Blick auf die in Zukunft unvermeidlichen Haushaltsdefizite des Staates wäre ein beidseitig akzeptierter Vergleich die bessere Lösung. Durch die entstehende größere rechtliche und politische Sicherheit kann sich die Regierung einem besseren Zugang zu Investoren verschaffen und somit neue Kredite günstiger aufnehmen.

Politökonomisch betrachtet ähnelt der Fall der Hypo Alpe Adria der Causa Lehman Brothers, die ohne Zweifel bei der Beschleunigung der Finanzkrise einen großen Einfluss hatte. Im September 2008 ließ die US-Regierung die hochverschuldete und in einer Liquiditätskrise steckende Investmentbank Lehman Brothers, mit deren Rettung die Finanzwelt fest gerechnet hatte, überraschend in die Insolvenz gehen. Damaliger Finanzminister war Henry Paulson vormaliger Geschäftsführer von Goldman Sachs, dem Hauptkonkurrenten von Lehman Brothers im Investmentgeschäft. Dies war mehr als ausreichend, um ihm damals eine gewisse Befangenheit bei seiner Entscheidung im Falle Lehman anzulasten.

Und nun erklärte die österreichische Regierung ebenso aus dem Nichts heraus, dass die Gläubiger der Kärntner Hypo Alpe Adria einen Großteil ihres Kapitals verlieren werden – und das trotz einer ausdrücklichen Garantie des Bundeslandes für die Anleihen des Kreditinstituts.

Die Folgen der Hypo Alpe Adria werden sicherlich nicht so dramatisch wie bei Lehman Brothers ausfallen. Dennoch schockierte die österreichische Politik damit vor allem deutsche Pensionsfonds, bei denen fast die Hälfte der ausstehenden Hypo-Anleihen liegen. Auch bei unbeteiligten Fondsmanagern sind die Hypo-Anleihen ein wichtiges Gesprächsthema, weil die Aufkündigung einer Staatsgarantie sehr ungewöhnlich ist.

Durch den einhergehenden Vertrauensverlust der Investoren aufgrund der ungeklärten Haftungsverhältnisse der Anleihen könnte es in Zukunft für österreichische Banken schwer werden, an frisches Kapital zu kommen oder bestehende Verbindlichkeiten zu refinanzieren. Der Österreich-Chef der Deutschen Bank, Rainer Polster, spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem Österreich-Malus, der bei heimischen Banken zu höheren Fremdkapitalkosten führen könnte.

Das österreichische Sondergesetz hat sogar kleine heimische Pensionsfonds in Erklärungsnot gegenüber ihren einzahlenden Mitgliedern gebracht. Dank der Kärntner Landesgarantie galten Anleihen der Hypo Alpe Adria als mündelsichere Anlage, so dass ein Teil der Fondsgelder in sie investiert wurde. Diese Anlagen könnten im ungünstigsten Szenario jetzt einem Totalverlust nahekommen.

In der Gesamtschau wirken die bisherigen Ergebnisse der Politik des Finanzministers Spindelegger als überaus unbefriedigend. Durch den Versuch der Enteignung der Gläubiger der Hypo Alpe Adria hat die österreichische Regierung Vertrauen und Reputation bei den nationalen und internationalen Investoren eingebüßt. Die Kosten der Bankenrettung der Hypo Alpe Adria werden nun noch höher ausfallen als bisher gedacht – eine klassische Lose-Lose Situation für die Investoren und Österreich.

______________________________

Die Karikatur wird mit freundlicher Genehmigung des Zeichners Alois Jesner, Linz verwendet.

Kommentare

0 Antworten zu „Tabu-Bruch bei der Bankenrestrukturierung in Österreich“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert