Feiertag oder Fortschritt? Weil Wohlstand keine Selbstverständlichkeit ist

Deutschland gönnt sich eine Pause – und zwar öfter als andere. Die Wirtschaft stagniert, die Energiepreise sind hoch und der demografische Wandel ist längst Realität. Es wird nun über die Streichung eines gesetzlichen Feiertags diskutiert. Denn ist ein Feiertag heilig, selbst wenn die Wirtschaft bröckelt?

Wie jedes Jahr am 1. Mai, am Tag der Arbeit, wurde auch dieses Jahr wieder die Arbeit gefeiert – ohne zu arbeiten. Natürlich ist Erholung wichtig. Aber in einem Land, das wohlmöglich das dritte Jahr in Folge ein stagnierendes Wirtschaftswachstum hat, könnte ein zusätzlicher Arbeitstag wichtige Impulse setzen.

Das Ziel der Abschaffung eines Feiertags ist eine Ausdehnung der jährlichen Arbeitszeit, folglich eine Ausweitung des Outputs und somit eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Laut Berechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) würde ein zusätzlicher Arbeitstag das BIP Jahr für Jahr um bis zu 8,6 Milliarden Euro erhöhen. Der Staat profitiert davon, indem über Steuern und Abgaben ein erheblicher Teil dieses Anstiegs direkt in die öffentlichen Kassen fließt. Bei einer Staatsquote von 45 Prozent bedeutet das, dass jährlich etwa 4 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen könnten.

Diesen Effekt untermauert eine aktuelle wissenschaftliche Studie, die analysiert, wie sich gesetzliche Feiertage auf das Wirtschaftswachstum auswirken, indem sie untersucht, ob Feiertage auf Wochenenden oder Werktage fallen. Das Ergebnis: Mit jedem einzelnen zusätzlichen Arbeitstag steigt das BIP jährlich um etwa 0,2 Prozent – ein spürbarer Wachstumsimpuls!

Der Blick ins Ausland lohnt sich. Dänemark hat im Jahr 2023 den „Store Bededag“, einen religiösen Feiertag, gestrichen, um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO bei den Verteidigungsausgaben verlässlich finanzieren zu können. Während die Bevölkerung für den gestrichenen Feiertag von Firmen durch ein höheres Gehalt kompensiert wurde, hat die Streichung unserem Nachbar etwa 400 Millionen Euro mehr in die Staatskassen gespült, weil die Unternehmen ihre Anlagen und Maschinen besser nutzen und damit mehr Umsatz erzielen konnten.

Kritik wird oft an der zunehmenden Belastung vieler Berufsgruppen geübt. Es ist richtig, dass in körperlich anspruchsvollen Bereichen wie Pflege, Bau oder Logistik ein zusätzlicher Arbeitstag schwer wiegt. Doch für viele Tätigkeiten im Dienstleistungs- oder Bürobereich ist ein zusätzlicher Arbeitstag bei entsprechender Kompensation durchaus zumutbar. Nach dem Modell des IW würde in Deutschland – gerechnet auf ein Jahr mit 250 Arbeitstagen –  für einen zusätzlichen Arbeitstag eine Gehaltskompensation von 0,4 Prozent benötigt werden. Weitere Kompensationsformen wie ein zusätzlicher Urlaubstag, den Arbeitnehmende flexibler und gemäß ihren individuellen Bedürfnissen nehmen können, sind ebenfalls denkbar.

Natürlich lässt sich der derzeitige wirtschaftliche Abwärtstrend nicht allein durch einen Feiertag umkehren. Der Impuls wirkt durch verschiedene Kanäle. Durch den zusätzlichen Arbeitstag wird die Nachfrage durch Gehaltskompensation gestärkt und die (Personal-)Kostenbelastung der Unternehmen durch einen produktiveren Einsatz etwas gemildert. Man sollte vor allem aber die Symbolik einer solchen Maßnahme nicht unterschätzen. Sie steht für die Notwendigkeit, in Deutschland wieder mehr anzupacken, um unseren Wohlstand zu sichern.

Walter Eucken, der Begründer der Freiburger Schule, forderte eine menschenwürdige Ordnung. Doch was ist heute menschenwürdig: ein zusätzlicher freier Tag – oder ein Land, das seine wirtschaftliche Basis stärkt und den Wohlstand für kommende Generationen sichert?

Autorin: Hanna-Lena Hahn

Titelbild: eigene Aufnahme


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

0 Antworten zu „Feiertag oder Fortschritt? Weil Wohlstand keine Selbstverständlichkeit ist“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert