Wahn mit Sinn: Wie das BGE unsere Sicht auf die Arbeit verändern könnte?

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) sichert allen BürgerInnen einen fixen und frei verwendbaren Geldbetrag zu. Dieses Konzept ist somit die wohl ehrgeizigste sozialpolitische Idee. Gerade deshalb sorgt es für Kontroversen. „Die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens […] würde den Anreiz, zu arbeiten deutlich verschlechtern“, meint Robin Jessen vom RWI. Doch muss dieser Anreiz wirklich sinken?

Arbeit ist mehr als Lohn

Das BGE macht Arbeit optional, das heißt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wirkt sich nicht auf die Grundsicherung aus. Menschen können sich also mit einem BGE erlauben, die Arbeit an den Nagel zu hängen. Ergebnisse einer Studie aus Finnland legen dennoch nahe: das BGE hat keine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Denn Arbeit wird nicht nur aus finanziellen Anreizen ausgeübt, sie trägt zum sozialen Status bei. Wie kommt es etwa bei der Nachbarin an, wenn ich plötzlich nur noch faul vor dem Fernseher sitze? 

Außerdem schafft Arbeit Vermögen. Dieses verwirklicht etwa den Traum vom Eigenheim oder ermöglicht die langersehnte Weltreise. Arbeit stiftet Sinn und verleiht Struktur. Struktur schafft Sicherheit, ein Grundbedürfnis. So ist Arbeit nicht nur Teil unseres Alltags, sondern auch unserer Identität. Beispielsweise wird in der alltäglichen Konversation oft die Frage gestellt, was jemand macht. Worauf man hierbei antwortet? Genau, mit der Berufsbezeichnung!

Freiheit und Flexibilität

In der Arbeitswelt sind viele Menschen durch ihre finanziellen Mittel eingeschränkt. Junge Menschen können oft ohne finanzielle Hilfe des Elternhauses oder eines Kredits nicht studieren. Andere nehmen einen Job an, der ihren Fähigkeiten und Interessen nicht entspricht. Diese Probleme entstehen durch finanziellen Druck: Druck, die Rechnung zu bezahlen, den Kühlschrank zu füllen und den Kredit zu begleichen. Durch eine Einführung des BGE wären diese finanziellen Sorgen verschwunden.

Das BGE unterstützt jedoch nicht nur beim Ergreifen akademischer Berufe. Auch soziale Berufe, die mit hoher Belastung verbunden sind, könnten durch ein Grundeinkommen attraktiver werden. Trotz Gehaltsanpassungen in den vergangenen Jahren, bleiben die Arbeitsbedingungen vielerorts herausfordernd. Ein BGE könnte hier durch zusätzliche finanzielle Absicherung zur Berufswahl beitragen.

Neben dieser Berufswahlfreiheit erhöht das BGE auch die berufliche Flexibilität. Beispielsweise kann ein Industriekaufmann seinen Traum von der schulischen Erzieherausbildung wahr machen, ohne sofort in finanzielle Nöte zu geraten. So ermöglicht das BGE zwischen Jobs, Branchen oder Arbeitszeitmodellen zu wechseln, da die Kürzung oder gar der Ausfall des Einkommens durch das BGE abgefedert wird. Berufliche Neuorientierung wird vom Risiko zur realistischen Option.

Wertschätzung von unbezahlter Arbeit

Die aus Arbeit resultierende Produktivität sollte nicht ausschließlich in klassischer Erwerbstätigkeit gesucht werden. Beispielhaft hierfür sind ehrenamtliche Tätigkeiten und unentgeltliche Care-Arbeit. Diese Art von Arbeit ist jedoch unabdinglich und trägt zu einer gerechteren Gesellschaft bei. Ohne familiäre Kinderbetreuung und Altenpflege wäre die Gesellschaft wohl defekt. Gerade sowieso schon Benachteiligte Bevölkerungsgruppen profitieren von unentgeltlichen Arbeiten. So erleben Senioren zwischenmenschliche Interaktion durch Spielenachmittage, Geflüchtete gliedern sich durch den örtlichen Sportverein in die Gemeinde ein. Das BGE fördert auch diese Arbeit, indem es sie indirekt vergütet.

Mit dem BGE muss der Arbeitsanreiz also nicht sinken. Außerdem könnte die Wertschätzung für wichtige unentgeltliche Arbeiten steigen. So könnte das BGE ein potenziell (wahn)sinniger Beitrag für die Gesellschaft sein. 

Titelbild: erstellt mit KI


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

0 Antworten zu „Wahn mit Sinn: Wie das BGE unsere Sicht auf die Arbeit verändern könnte?“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert