Bitcoins für die EZB? Ein riskanter Vorschlag

Kurz vor der Bundestagswahl 2025 hat der damalige FDP-Vorsitzende Christian Lindner eine bereits von US-Präsident Donald Trump bekannte Idee präsentiert: Die Europäische Zentralbank (EZB) und auch die Deutsche Bundesbank sollten den Bitcoin in ihre Reserve aufnehmen. Doch dieser Plan war und ist nicht nur riskant, sondern auch auf ironische Weise fehlgeleitet.

Zentralbanken halten Währungsreserven, um wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten und auch im Krisenfall handlungsfähig zu bleiben. Ihre Reserven bestehen aus Anlagen, die einen verlässlichen Wert besitzen und im Bedarfsfall verfügbar und liquide genug sind. Daher handelt es sich typischerweise um Fremdwährungen und Gold. Das Hauptziel ist dabei die Sicherung der Geldpolitik und Preisstabilität.

Eine Bitcoin-Reserve würde die „Resilienz der EZB“, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen und Krisen, stärken, so Lindner. Die EZB ist allerdings nicht darauf angewiesen, mit dem Bitcoin oder anderen Vermögenswerten zu handeln, um den Euro abzusichern. Als Währungsherausgeberin kann sie dies stets tun, solange der Euro gegen Fremdwährungen getauscht wird. Anders als Unternehmen oder Geschäftsbanken muss sie, wie auch die Schweizer Nationalbank, keine Gewinne erzielen oder ein positives Eigenkapital vorweisen, um handlungsfähig zu bleiben.

Der Bitcoin ist aufgrund seiner starken Preisschwankungen denkbar ungeeignet als Reserve. Während Notenbanken Währungsreserven haben, um wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten, erfüllt der Bitcoin die grundlegenden Eigenschaften einer Währung, ihre Funktion als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel kaum: Er ist kein weit verbreitetes Tauschmittel und ungeeignet als Recheneinheit. Wer möchte schon sein Brot mit 0,000036 Bitcoin bezahlen? Und auch die vielleicht wichtigste Anforderung an eine Währung und Reserve erfüllt der Bitcoin nicht: die Wertaufbewahrung. Der Kurs schwankt teils drastisch, wie ein Verlust von 70 Prozent im Jahr 2022 zeigt. Ein solcher Einbruch hätte die „Resilienz der EZB“ nicht gestärkt, sondern geschwächt. Natürlich schwankt auch der Goldpreis regelmäßig, allerdings bei Weitem nicht in solchem Maße. Nebenbei hat Gold anders als der Bitcoin auch einen realen Nutzen, z.B. in Halbleitern oder Schmuck.

Der Bitcoin ist keine Währung im eigentlichen Sinn, sondern ein Vermögenswert, der anders als Anleihen keine Zinsen oder Dividenden einbringt. Er hat keinen inneren Wert. „Genauso gut könnte Lindner eine […] Tulpenzwiebelreserve fordern, denn der Bitcoin ist nahezu eine reine Blase“, so der Makroökonom Rüdiger Bachmann. Wenn diese Blase platzt und die Kurse hinuntersausen, gibt es nichts, was den Kurs stabilisieren könnte. Für ein Spekulationsobjekt problemlos, allerdings nicht als Zentralbank-Reserve geeignet.

Ironischerweise könnte Lindners Vorschlag gerade denjenigen nutzen, die den Bitcoin als Gegenentwurf zu staatlich kontrollierten Währungen sehen. Eine Aufnahme in die EZB-Reserve würde erhebliche Summen in den Markt spülen, den Preis künstlich nach oben treiben und einer hochspekulativen Anlage zu staatlich gestützter Seriosität verhelfen. Dies würde zudem den Druck auf die EZB erhöhen, in Zeiten massiver Marktverwerfungen, etwa bei einem abrupten Einbruch des Bitcoin-Kurses, geopolitischen Schocks oder Finanzkrisen, stabilisierend in den Markt einzugreifen – eine absurde Vorstellung, da genau diese Eingriffe von Bitcoin-Befürwortern abgelehnt werden.

Ein EZB-Einstieg sollte auch in der Krypto-Gemeinde auf wenig Zuspruch stoßen. Sobald der Bitcoin Teil der Währungsreserven wird, steigt der Anreiz für Zentralbanken, ihn zu regulieren. Gerade die Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme macht den Bitcoin für viele attraktiv. Diese Eigenständigkeit wäre durch einen EZB-Einstieg stark gefährdet. Wer den Bitcoin als Alternative zu staatlichen Währungen schätzt, sollte ihn genau dort belassen: außerhalb des Zugriffs der Zentralbanken.

Titelbild: erstellt mit KI


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