Mindestlohn – die Zukunft Deutschlands ist gesichert!?

„Deutschlands Zukunft gestalten“ lautet der Titel des Koalitionsvertrags zwischen den Großkoalitionären CDU, CSU und SPD. Die Gestaltung der deutschen Zukunft soll dabei laut Vertrag auch durch eine „allgemeine gesetzliche Mindestlohnregelung“ erfolgen – vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl von so genannten „working poor“, also Menschen, die trotz Arbeit in Armut leben, ein höchst kontrovers diskutiertes Thema! Durch die wachsende Einkommensungleichheit überrascht es nicht, dass sich laut Infratest Dimap 60% der deutschen Bevölkerung für einen gesetzlichen Mindestlohn aussprechen. Etwa zwölf Prozent der deutschen Beschäftigten, das entspricht rund 2,5 Millionen Arbeitnehmern, erhalten Armutslöhne, also Löhne unterhalb der Armutsgrenze, die nicht zur Sicherung des Existenzminimums ausreichen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Mindestlöhne das geeignete, d.h., ökonomisch vertretbare und umsetzbare Mittel sind, um diese Problematik zielgenau einzudämmen. Dieser Beitrag wird zugunsten von Mindestlöhnen plädieren, weil sie in der Lage sind, die in Deutschland herrschenden gesellschaftlichen und ökonomischen Missstände zu beheben.

Laut dem Koalitionsvertrag soll zum 1. Januar 2015 ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro je Zeitstunde für das gesamte Bundesgebiet eingeführt werden. Damit stellt sich die Frage, wer die hauptsächlichen  Begünstigten sein werden, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Laut Schätzungen auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), einer repräsentativen Wiederholungsbefragung von über 12.000 Privathaushalten in Deutschland, wird der Mindestlohn voraussichtlich etwa vier bis sechs Millionen Menschen in Deutschland betreffen. Diese Zahl ist deshalb so hoch, weil es laut Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles nur sehr wenige Ausnahmen beim Mindestlohn geben wird. Dazu gehören junge Erwachsene unter 18 Jahren, Ehrenamtliche sowie Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung.

Die Ziele eines Mindestlohns und ihre Umsetzung

Es gibt zwei Hauptziele eines Mindestlohns. Zum einen sollen Arbeitnehmer vor einer möglichen Ausbeutung durch die Arbeitgeber geschützt werden. Auf diese Weise wird ein Lohnunterbietungswettbewerb unter den Arbeitgebern unterbunden. Dadurch könnte u.a. verhindert werden, dass Arbeitnehmer trotz eines Vollzeitjobs zu  „working poors“ werden. Zum anderen dient der Mindestlohn der Armutsbekämpfung, insbesondere wenn (erst) durch ihn ein akzeptabler Lebensstandard erreicht werden kann. Die Armutsgefährdungsschwelle für Alleinstehende liegt in Deutschland bei 980 Euro im Kalendermonat gemäß der üblichen Definition der Europäischen Union, nach der man von Armut bedroht ist, wenn man über weniger als 60% des mittleren Einkommens des Gesamtbevölkerung verfügt.

Wie lassen sich nun diese Hauptziele mit dem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland verwirklichen?

In Deutschland waren gesetzliche Lohnuntergrenzen über Jahre in der wirtschaftspolitischen Diskussion ohne Bedeutung. Die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften verhandelten auf Grundlage der im Grundgesetz verankerten Tarifautonomie. Staatliche Eingriffe in diesem Lohnfindungsprozess erschienen nicht notwendig. Dies änderte sich jedoch, als sich die Beschäftigung im Niedriglohnsektor immer mehr ausweitete, weil die Tarifbindung in vielen Branchen und Bundesländern (vor allem in Ostdeutschland) unterlaufen wurde. In der Folge wurde zunehmend „Lohndumping“ beklagt und einzelne Gewerkschaften begannen, nach Lohnuntergrenzen zu verlangen. Infolgedessen kam es vermehrt zu tarifvertraglichen Mindestlohnvereinbarungen, die jedoch nur in einzelnen Bereichen zu Erfolgen gegen das Lohndumping führten, weil sie naturgemäß nur dort griffen, wo die Tarifbindung hoch war. In manchen Segmenten des Niedriglohnsektors, die sich durch eine geringe Tarifbindung auszeichnen, waren die Gewerkschaften erfolglos. Gerade hier ist die Mindestlohngesetzgebung ein wirkungsvolles und mächtiges Instrument zur Abwehr von zu niedrigen Löhnen.

Für die konkrete Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns ist vorgesehen, dass in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung und eine Festlegung der Höhe des allgemein verbindlichen Mindestlohns durchgeführt werden. Dies geschieht durch eine Kommission der Tarifpartner, die sich beispielsweise bei der Mindestfestsetzung an der Preisinflation orientieren.

Alles gut dank Mindestlohn? Oder doch nicht?

Der gesetzliche Mindestlohn wird in den deutschen Unternehmen höhere Arbeitskosten verursachen. Doch wenn man bedenkt, dass Deutschland eine der wohlhabendsten Nationen Europas ist, ist es durchaus verkraftbar, dass höhere Löhne ausbezahlt werden. Den Kosten wird ein deutlich höherer Nutzen entgegenstehen, den man jedoch nicht direkt in monetärer Größe ausdrücken kann. Durch eine angemessene Lohnzahlung kann es zu einem dynamischen Anpassungsprozess kommen. In Folge einer Anhebung der Löhne wird die Motivation der betroffenen Arbeitnehmer positiv beeinflusst und ihr Betriebszugehörigkeitsgefühl gestärkt. Demzufolge können die Unternehmen Kosten der Fluktuation und der Einarbeitung neuer Arbeitskräfte einsparen. Zugleich kann das Unternehmen seine Arbeitsprozesse mit motivierten Mitarbeitern effizienter gestalten, weil sie sich als wertvollen und geschätzten Bestandteil des Unternehmens und der Gesellschaft empfinden.  Die Zufriedenheit der Arbeitnehmer steigt an, so dass es zu weniger Krankheitsfällen und somit sinkenden Gesundheitsausgaben kommt. Unternehmen und Gesellschaft profitieren hiervon.

Darüber hinaus wird durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes eine Senkung der Ungleichheit der Löhne und Einkommen erreicht. Die Spreizung in der Verteilung von Löhnen und Einkommen in Deutschland hat in den letzten Jahren stark zugenommen. So beträgt der Gini-Koeffizient, das bekannteste Ungleichheitsmaß, in Deutschland 0,31. Er ist seit den frühen 1990er Jahren kontinuierlich angestiegen (seinerzeit betrug er etwa 0,25), was eine Zunahme der Ungleichheit anzeigt. Während der Gini-Koeffizient die allgemeine Einkommensungleichheit anzeigt, gilt es darüber hinaus zu beachten, dass erhebliche Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern existieren, wobei der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen etwa 22 Prozent unter dem der Männer liegt. Im Vergleich dazu sind es EU-weit 16 Prozent. Dieser Unterschied liegt vor allem daran, dass Frauen aufgrund geringerer Qualifikation, vermehrter Teilzeitarbeit und Kindeserziehung oftmals in gering bezahlten Berufen tätig sind. Die Einführung eines Mindestlohns, der geschlechtsunabhängig gilt, stellt ein Instrument dar, um der geschlechtsbedingten Lohnspreizung entgegenzuwirken.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wird sich ein Mindestlohn zudem in den ostdeutschen Bundesländern besonders bemerkbar machen. In diesen Bundesländern erhalten mehr als 25% der Arbeitnehmer einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro. Laut  SPD-Chef Sigmar Gabriel geht es bei der Einführung des einheitlichen Mindestlohns auch darum, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse herbeizuführen – so, wie es das Grundgesetz verlangt. Hierbei ist allerdings kritisch anzumerken, dass die ostdeutsche Wirtschaft noch nicht so produktiv wie die westdeutsche ist, da es im Osten zu wenige exportorientierte Unternehmen gebe, wie der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Joachim Möller sagt. Möller weist darauf hin, dass sich die Arbeitslosenquoten in Ost- und Westdeutschland in den vergangenen Jahren immer weiter angenähert haben und dass man diese Entwicklung nicht aufs Spiel setzen sollte. Seinem Vorschlag, in  Ostdeutschland mit einem Mindestlohn von 7,50 Euro zu beginnen, sollte sich die Politik anschließen, dabei jedoch einen klaren Fahrplan zu einer zügigen Angleichung an das westdeutsche Niveau festlegen. Der aktuelle Gesetzentwurf der Großen Koalition müsste an dieser Stelle noch nachgebessert werden.

Fazit

Um Deutschland ein Stück in Richtung gesellschaftlichen Wohlstands voranzubringen, ist der gesetzliche Mindestlohn ein sinnvolles und zielgerichtetes Instrument. In Deutschland arbeiten 6,6 Millionen Menschen zu Stundenlöhnen von weniger als 8,50 Euro. Dabei kommen viele dieser Menschen trotz Vollzeitbeschäftigung nicht auf das Existenzminimum. Sie sind auf die Hilfe des Staates durch die Einführung des Mindestlohns angewiesen. Dieser würde auch die Gleichberechtigung der Frau vorantreiben, da Frauen immer noch vielerorts für die gleiche Arbeit schlechter entlohnt werden. Mit einem Mindestlohn ließe sich diese Ungleichheit zumindest in den untersten Lohngruppen beseitigen. Die Einführung des allgemeinen Mindestlohns ist die größte Arbeitsmarktreform der vergangenen Jahre. Die Reform wird sich positiv auf die Wirtschaft und auf den Arbeitsmarkt auswirken. Daher ist die Einführung eines Mindestlohns in Deutschland ein “Schritt in die richtige Richtung”, um Deutschlands Zukunft zu gestalten.


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Kommentare

1 Antwort zu „Mindestlohn – die Zukunft Deutschlands ist gesichert!?“

  1. Avatar von Charlotte

    Hier muss sich grundlegend etwas tun, damit jeder Vollzeitbeschäftige auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann und auch etwas von seinem Geld hat. Nur so ist die Zukunft eines jeden gesichert.

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